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Neulich bei Ebay 

Altsaxophon „Prihmus“

Als wir unser „Prihmus“ Altsaxophon im Juli bei eBay entdeckten, wußten wir sofort: Dieses Saxophon müssen wir haben. Wenn der Hersteller vom Saxophonbau genausoviel Ahnung hat wie von der Orthographie, wird der Test ein Schlachtfest. Die Computer-Tastatur biegt sich bei dem „h“ im Markennamen jedesmal angewidert zur Seite. Es hilft nichts, das Ding heißt so. Frisch geboten, und für 369,- UR zuzüglich 8,90 EUR Versandkosten war das Saxophon unseres.

EUR 338,00

Endet:   26.06.03 13:35:49 MESZ

Ort:      Büren

Deutschland

 

Der Versuch, Information über den Hersteller dieses Instruments zu bekommen, war leider nicht von Erfolg gekrönt. Wer bei Google den Namen „Prihmus“ eingibt, landet bei einigen weiteren ebay-Auktionen. Aha, es sind also noch mehrere dieser Dinger im Umlauf. Selbst unserer Suchmaschine kommt der Name „ Prihmus“ suspekt vor. Google fragt zurück: „Meinten sie: Primus?“ Eben nicht. Also Fehlanzeige. Auf dem Koffer steht: „Prima handmade Musical Instruments a. m. Corp.“ Diese Firma kennt Google leider auch nicht. Stattdessen landen wir bei der japanischen Firma „Prima“, die die Querflöten des Edelherstellers „Sankyo“ vertreibt. Diese Firma wird wegen der Namensgleichheit sicher großen Kummer haben. Wir geben auf. Aufgrund des Kampfpreises gehen wir von einem  Hersteller irgendwo in der Volksrepublik China aus.

Wir öffnen das Etui. Ein nicht unangenehmer süßlicher Klebstoffgeruch schlägt uns entgegen. Wir schälen das Altsax aus seiner Zellophan-Tüte und entfernen sämtliche als Transportsicherung angebrachte Korken.

 Das Instrument hat die Serien-Nummer: Ja wo ist sie denn? Oberhalb der Tief-Es-Klappe, wo sie normalerweise steht, suchen wir vergebens. Fündig werden wir erst oben auf der Steckhülse, die den S-Bogen aufnimmt: Die Zahl „478“ ist dort eingeprägt. 

Erwartungsgemäß haben wir mit dem „Prihmus“ Altsax einer Selmerkopie vor uns. Da wir soeben ein Saxophon getestet haben, das sich im Klappenstyling ebenso eng an Selmer Saxophone anlehnt, gestatten wir uns ausnahmsweise, bei dem Punkt „AUSTATTUNG“, auf den B&S-Test zu verweisen. Die beiden Instrumente sind äußerlich nämlich nur mit sehr geübtem Blick voneinander zu unterscheiden. Die S-Bögen konnten wir nur anhand des unterschiedliche Halskorks auseinanderhalten.




Mechanische Besonderheiten des „Prihmus“ (schon wieder dieses „h“!) Saxophons sind:

-Zweigeteilter Spannring an der Verbindung des unteren U-förmigen Rohrs. Dies erleichtert das Abnehmen des Schallbechers bei Reparaturen.

-Die Nadel-Federn sind aus rostfreiem Edelstahl von der Draht-Rolle.

-Neben einer winzigen Gravur mit dem unsäglichen Markennamen und der Herstellerangabe (nach der Lackierung graviert) gibt es auf der Vorderseite des Schallbechers eine hübsche Lilien-Gravur (vor der Lackierung graviert),  die von der Gravur meines  Selmer Mk-6 Alt, Serien-Nr. 222.000, kaum zu unterscheiden ist.  Es kann also durchaus sein, daß dieses Instrument mit derselben Lilien-Gravur aber unter anderen Markennamen ebenfalls im Handel ist.

Der S-Bogen-Kork ist aus gewachstem Naturkork, was uns sehr gut gefiel; auch die Einsätze in den Einstellschrauben sind aus Naturkork. Normalerweise sind wir für Naturkork immer zu haben, aber bei Klappenkoppelungen, bei denen die Einstellschrauben seitliche Rutsch-Bewegungen machen, ist Kork nicht optimal, da er seitliche Bewegungen hemmt.

Auch die Kleinfinger-Klappen entsprechen dem Selmer-Design: B-Wippe für den linken kleinen Finger, C- und Es Klappe (rechter kleiner Finger) in 2 Etagen angeordnet wie beim 80 Super Action Serie III. Wir haben bereits im B&S-Test über diese bei chinesischen Herstellern derzeit sehr beliebte Anordnung gemeckert.
 

VERARBEITUNG

Alle Lötstellen des Testinstruments sehen gut aus, dasselbe gilt auch für die Lackierung. Sehr ordentlich in Anbetracht des äußerst niedrigen Preises. Zur Schönheit eines Instruments gehört auch, daß die Achsen genau parallell ausgerichtet sind und die Klappenarme rechtwinklig zu den Achsen. In dieser Hinsicht wurde hier nur beinahe gute Arbeit geleistet. Nur die Achse der B-Klappe (die mit dem kleinen Kunststoff-Knopf) sitzt leicht diagonal zwischen den anderen Achsen. Das B&S 600 gefiel uns in diesem Punkt besser.

Um die Deckung der Polster zu überprüfen, wurde eine Leuchtstoffröhre in das Hauptrohr versenkt. Wir konnten es nicht fassen: Es waren nicht der kleinste Deckungsfehler zu finden. Sämtliche Polster deckten perfekt. Hier wurde beachtliche Qualität abgeliefert, wie sie bei wesentlich teureren Saxophonen nicht selbstverständlich ist.  Wenn dies neuer chinesischer Fertigungs-Standard ist, müssen sich die europäischen Hersteller in Zukunft warm anziehen.

Bei den  Klappenkoppelungen gab es eine Beanstandung: Die H-Cis-Sperre funktionierte nicht richtig, da die Koppelung zu knapp eingestellt war. Außerdem waren Einstellschraube und Mitnehmer nicht genau übereinander positioniert, so daß die Schraube ihren Mitnehmer nur mit Mühe erreichte. Der Arm mußte mit der Flachzange nachgebogen werden. Schließlich knirschte der in der Einstellschraube versenkte Kork infolge der Seitwärts-Bewegung beträchtlich. Die Verwendung von Filz, notfalls der von Taiwan-Saxophonen bekannten Plastik-Einsätze wäre hier besser gewesen.

Die beiden linsen-fömigen Kunststoff-Einsätze für den Gis-Drücker und die Fis-Trillerklappe sind für ihre Fassungen leider zu klein. Zwischen Rand und Fassung gibt es unschöne Lücken.

Daß die Oktavmechanik der meisten Saxophone relativ viel Spiel hat, sind wir gewohnt. Bei unserem „Prihmus“-Saxophon wird aber mehr als die Hälfte der Bewegung des Daumens von der Oktavmechanik verschluckt, bevor sich die S-Bogen-Klappe bewegt. Das ist nun doch zu viel.
 

SPIELTEST 

Fingerfreundlichkeit

Die Fingerfreundlichkeit entspricht der einer durchschnittlichen Selmer-Kopie. Der Federdruck ist eher weich eingestellt und entspricht damit eher den Schüler-Anforderungen. Natürlich benötigen die Klein-Finger-Mechaniken mehr Fingerdruck. Die Griffteile für beide kleine Finger sind an manchen Stellen recht kantig. Beim Rutschen des linken kleinen Fingers von tief-B zum Cis spürt man eine scharfe Kante, das Rutschen von Cis nach H ist ebenfalls nicht immer schmerzfrei. Auch der rechte kleine Finger rutscht vom C zum Es und zurück über eine harte Kante, wenn er über die (ziemlich dünne)  Rolle rutscht. Glücklicherweise ist der Gegendruck der Feder für die C-Klappe nicht so hoch. Genau wie bei dem B&S-Saxophon ist hier ist die Anordnung beider Klappen in zwei Etagen untereinander nicht günstig. Beim Rutschen vom Es zum C hatten wir wegen der unterschiedlichen Druckrichtung Schwierigkeiten, die C-Klappe zu schließen.
 

Ansprache und Klang

Zunächst probierten wir, ob das Zubehörmundstück mit beiliegendem Blatt brauchbar ist. Das Blatt ist etwas zu weich, aber welche Überraschung: Das Mundstück geht sehr gut los und spielt sich sehr bequem. Allerdings hat es einen recht scharfen Klang und ist brüllend laut, vielleicht etwas für die Freunde der Lakey-Mundstücke. In den Händen eines Anfängers könnte das Saxophon mit diesem Mundstück leicht nervtötende Eigenschaften entwickeln. Alternativ wurde für den Test eine bewährte Klassik-Kombination verwendet (Yamaha 4 C / Vandoren 3er Blatt) und eine Jazz-Kombination (Selmer Super Session E mit Rico Nr. 2 ½).

Die Ansprache ist durchgängig normal bis leicht, aber es gibt einen Ausreißer. Das tiefe D spricht erheblich schwerer an als die anderen Töne der tiefen Lage, und der Ton klingt muffig. Dieses Problem macht sich bei unterschiedlichen Mundstücken unterschiedlich stark bemerkbar. Mit dem Selmer Mundstück war D1 besonders bockig, mit dem Zubehör-Mundstück war das Problem am geringsten ausgeprägt. Wir haben uns das Instrument näher angesehen. Ursache scheint das zu kleine Tonloch unter der tief-C-Klappe zu sein. Der Unterschied ist mit bloßem Auge bereits zu erkennen. Die Schieblehre sagt 32,5 mm Außenmaß bei Selmer Mk 6 gegen 30,0 mm bei Prihmus. Vielleicht wollte man so das notorisch hohe D2 absenken? Dann war dies der falsche Weg, denn D1 leidet stark darunter. Weitere Anspracheprobleme gab es nicht.

Klanglich entspricht das Prihmus-Sax den gängigen Selmer-Kopien. Es hat über den gesamten Tonumfang – mit Ausnahme des D1 –  einen recht homogen, Mk 6-ähnlichen Sound, und es produziert ungefähr dieselbe Lautstärke.

 
Intonation

Auf welche Grundstimmung das Testinstrument eingerichtet ist, war nicht zu erfahren. Wir gingen zunächst von dem internationalen a = 440 Hz aus und machten einen zweiten Durchgang mit a = 443 Hz.

Die Oktave D1 – D2 stimmt leider nicht für zehn Pfennige.  D1 ist viel zu tief, trotzdem ist D2 noch deutlich zu hoch. Sämtliche Oktavklappen-Töne tendieren nach oben, von A2 an aufwärts wird es problematisch hoch. Bei Dis3 meldet das Stimmgerät ein zu tiefes E, E wird als F und F als Fis erkannt. Das ist mit dem Ansatz kaum mehr zu korrigieren. F3 intonierte mit der vorderen Hoch-F-Klappe übrigens deutlich tiefer / besser als mit dem Normalgriff. 

Bei einem zweiten Versuch mit a = 443 Hz waren die Ergebnisse leider noch schlechter. Die ohnehin zu hohen kurzen Töne intonierten noch höher.
 

ZUBEHÖR

Das Instrument kommt mit einem no name  Kunststoff-Mundstück (ohne Bahnbezeichnung) mit lackierter Messing-farbener Blattschraube und einem Blatt: „Billion 2 ½“. Das klingt irgendwie chinesisch. Dazu gibt es ein schmales, ungefüttertes Trageband mit Metall-Karabiner. Der Koffer gefiel uns recht gut, nicht nur wegen des Geruchs. Die Außenhaut des angenehm leichten Etuis ( ein Griff, zwei nicht verschließbare Schlösser) ist aus schwarzem Aluminium mit einer feinen Rauten-Struktur und sieht richtig gut aus. Das Instrument war darin perfekt aufgehoben, es gab Extra-Nester für S- Bogen und Mundstück und das übliche große Fach. Der S-Bogen passte nur sehr knapp in sein Nest, aber das drückt sich wahrscheinlich zurecht. Wenn das Wappen mit dem peinlichen Markennamen nicht wäre......
 

Resummee

Zu dem erwarteten Schlachtfest kam es nicht. Das Instrument ist handwerklich recht ordentlich gebaut. Für den von uns gezahlten Preis jedenfalls erstaunlich ordentlich. Und es deckt tadellos, was bei anderen Instrumenten bei einem Mehrfachen dieses Preises nicht unbedingt der Fall ist. Es klingt gut, das Zubehör ist ok: Das Mundstück funktioniert, auch wenn es auch als Anfängermundstück nicht optimal ist, das Etui ist zweckmäßig und sogar recht hübsch. Dafür kann man sogar seine orthographischen Bedenken verschmerzen.

Die Intonation des „Prihmus“ Altsaxophons dagegen ist mehr als nur eine Schwachstelle. Ist ein Instrument, das schlecht intoniert, gut genug für Anfänger?  In den  ersten Unterrichtswochen und Monaten mögen die Schwächen des „Prihmus“ Saxophons noch nicht zu Tage treten, abgesehen von dem bockigen und zu tiefen D1, das dem Schüler bereits in der 3. oder 4. Unterrichtsstunde begegnet. Aber sobald der Ansatz der Schüler sicherer und stabiler wird, werden  die Schüler entweder den Kampf mit der zu hohen 2. und 3. Oktave aufnehmen müssen,  oder ihre Ohren werden sich an die unreinen Oktaven gewöhnen.  Ob hier von einer günstigen Relation zwischen Preis und Qualität gesprochen werden kann, mag jeder selbst für sich beurteilen.
 

Pro:

+ handwerklich gut gearbeitetes Instrument

+ sensationell niedriger Preis

 

Contra:

- D1 spricht schwer an, klingt muffig, intoniert zu tief.

- sämtliche Oktavklappen-Töne intonieren hoch, D3 bis F3 sind katastrophal hoch.


                                      Klaus Dapper

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Erstveröffentlichung in  sonic - wood & brass


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