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ANTIGUA WINDS TENORSAXOPHON   T 528

„ANTIGUA WINDS“ ist kein Firmenname, sondern der Markenname, unter dem der deutscher Großhändler GEWA seit 1999 Altsaxophone eines in Taiwan ansässigen Herstellers vertreibt. Bereits das Altsaxophon A 518 hat einen guten Eindruck hinterlassen (Test sonic 5/2001).  Nun hat sich zu dem Altsaxophon das Tenorsaxophon T 528 gesellt, das wir mit diesem Test näher unter die Lupe nehmen wollen. Es wurde auf der letzten Musikinstrumentenmesse vorgestellt und ist seit Juni 2002 lieferbar.

Das Testinstrument hat die Ser. Nr. LT 1051900, darunter trägt es den selbstbewußten Stempel „Made in Taiwan“. Es war zu erfahren, daß Klappen und andere Teile in einem Schwesterwerk in China hergestellt werden, die Endmontage dagegen findet in Taiwan statt. Man tut dem Instrument sicher kein Unrecht, wenn man es vom gesamten Erscheinungsbild her als Selmer-Kopie bezeichnet; der weitaus größte Teil des Klappen-Stylings, wahrscheinlich auch der Mensur und des Tonloch-Netzes, orientieren sich an den neusten Selmer Paris - Modellen.

AUSSTATTUNG

Korpus und Klappen sind in Goldlack gehalten. Die Achsböckchen sind – im Gegensatz zu den Selmer-Instrumenten – nicht in Gruppen auf Schienen vormontiert, sondern einzeln auf die Schallröhre aufgelötet. Das Kniestück verfügt über eine Schraubverbindung. So können Schallbecher und Knie abgenommen werden, und bestimmte Reparaturen (z.B. Beulen entfernen) werden leichter ausführbar bzw. billiger. Zur Befestigung des Schallbecher am Hauptrohr wurde ein Flach-Ring  mit 3 Schrauben verwendet; mit seinen weichen Kanten wirkte er eleganter als z.B. der Ring des Selmer 80-Super-Action Modells.  Für die Justierung der Klappenkoppelung besitzt das Instrument die üblichen 5 Einstell-Schrauben: F-B-Gis-Koppelung, gegliederte Gis-Klappe,  tief-Cis-Sperre, vorderer Hoch-Fis-Hebel. Die 4 Anschläge in den Körbchen der Knie- und Becherklappen (Selmer-Styling) sind ebenfalls nach Selmer-Art mit dem Schraubenzieher verstellbar. Für die Klappenanschläge und Koppelungen verwendet man erfreulicherweise Naturkork bzw. Filz, lediglich in 3 Einstellschrauben befinden sich die von  Taiwan-Saxophonen bekannten rosa-farbenen Kunststoff-Einsätze. Auch der S-Bogen-Kork ist Naturkork, allerdings von geringerer Qualität: mit unzähligen Poren. Die  9 Finger-Einsätze sind zwar nicht aus echtem Perlmutt, dafür aber aus einem sehr echt wirkendem Imitat.
Auch die Kleinfinger-Klappen entsprechen bewährten Vorbildern: B-Wippe für den linken kleinen Finger wie bei Selmer, C- und Es Klappe (rechter kleiner Finger) in 2 Etagen angeordnet wie bei den neuen Yanagisawa Tenorsaxophonen.
Die unvermeidliche Halterung für die Marschgabel wurde nicht – wie bei Selmer – in die S-Bogen-Verschraubung integriert; stattdessen gibt es in der Nähe des Hoch-F-Tonlochs das von älteren Saxophonen bekannte Halterungs-Kästchen.
Sämtliche Federn und Schrauben sind aus Blaustahl, die Daumenauflage (links) ist aus schwarzem Kunststoff, der Daumenhaken (rechts) trendgemäß wieder aus Metall. Der Daumenhaken ist im Gegensatz zum Vorbild  nicht seitlich verstellbar, obwohl es zunächst so aussieht. Die Polster sind mit Metallreflektoren ausgestattet und offensichtlich mit einer Imprägnierung versehen: sie geben beim Öffnen leise Schmatz-Geräusche von sich. Die lilien-artige Schallbecher-Gravur (unter dem Lack) ist dem Selmer-Vorbild nachempfunden. Nach der Lackierung wurde als Laser-Gravur der  Markenname „ANTIGUA WINDS“ zugefügt.

VERARBEITUNG

Die Schallröhre und Tonlöcher sind tadellos gearbeitet. Dasselbe gilt für die Lackierung von Korpus und Klappen und alle sichtbaren Lötverbindungen. Der Facettenschliff der Klappenarme ist sorgfältig ausgeführt und poliert. Es gibt keinerlei sichtbare Riefen, wie sonst gelegentlich bei Saxophonen der unteren Preisklasse zu beobachten sind.
Im  gesamten Klappenwerk konnte weder Spiel noch toter Gang festgestellt werden, bis auf die übliche Ausnahme: Ebenso wie bei dem französischen Vorbild verschluckt die Oktavmechanik einen großen Teil der  Bewegung, bevor sie an eine der beiden Klappen weitergegeben wird.
Zum Aufspüren von Deckungsfehlern wurde eine Prüflampe in der Schallröhre versenkt. Bis auf einen winzigen Deckungsfehler der Hoch-f-Klappe, der stillschweigend behoben wurde, wurde hier hervorragende Arbeit geleistet. Dies ist besonders erwähnenswert, da es auch bei doppelt so teuren Instrumenten durchaus nicht selbverständlich ist.

SPIELEIGENSCHAFTEN

FINGERFREUNDLICHKEIT
Da man sich im großen Ganzen beim Klappendesign an einem bewährtem Vorbild orientierte, war hinsichtlich der allgemein guten Fingerfreundlichkeit keine große Überraschung zu erwarten. Die Fingerknöpfe haben  weiche Konturen, sie greifen sich sehr angenehm. Hinsichtlich des Federdrucks fiel auf, daß die höchsten Klappen (palm keys) ungewohnt geringen Federdruck aufwiesen, während man für die tiefsten Klappen schon recht kräftig zulangen muß. Nicht begeistert waren wir von den Drückern für Es/C (rechter kleiner Finger). Wegen der Anordnung der Achsen in 2 Etagen  geben die Drücker in spürbar unterschiedliche Richtung nach. Da wäre die Übernahme der alten einachsigen Anordnung besser gewesen. Außerdem muß der kleine Finger sich etwas weiter als bei dem Vorbild ausstrecken, um die beiden Drücker zu erreichen. Auch passiert es bei unserem Testinstrument leicht, daß man beim Rutschen vom C zum Es über den Rand des Drückers hinausrutscht und der Finger ins Leere greift. Schließlich war uns der zu überwindende Federdruck zu hoch.
ANSPRACHE, INTONATION, KLANG
Beim Test wurde zunächst das mitgelieferte Zubehörmundstück benutzt. Es handelt sich um ein no name Mundstück, das äußerlich und innerlich sehr an das entsprechende Zubehör-Mundstück von Yamaha erinnert.  Auch der goldfarbene Aufdruck der Bahnbezeichnung „4C“ ist exakt derselbe wie bei  Yamaha. Das Mundstück stellt sich als recht gutes Allround-Mundstück heraus; auch im Spielverhalten ist es eindeutig Yamaha. Es wurde mit einem Rico Blatt Stärke 3 gespielt, das gut zu ihm passt. Daneben wurde das Meyer 6MM verwendet, ein ebenfalls relativ friedliches und konservatives Allround-Mundstück, allerdings mit runder Kammer, und ein Vandoren T77 Metallmundstück.
Die Ansprache ist mit jedem der Mundstücke in allen Registern leicht, es gibt – auch in der äußersten Tiefe – keine bockigen Töne. Eine angenehme Überraschung.
Als nächstes wurde das Stimmgerät angeschaltet und auf a= 440 Hz eingestellt. Während das gesamte tiefe Register – alle Töne ohne Oktavklappe -  recht ausgeglichen stimmt, ergeben sich in der höheren Lage (mit beiden Mundstücken) ein paar Auffälligkeiten. Bei Fis 2, G 2 und Gis 2 war eine kleine Delle in der Stimmungskurve zu beobachten: während man normalerweise im 2. Register darauf achten muß, nicht zu hoch zu sein, kommen die drei Töne zunächst ungewohnt tief. Dies war unerwartet und auch nicht bei jedem Mundstück gleich deutlich, zumindest aber in einem relativ leicht ausgleichbaren Bereich. Dagegen tendieren die Töne oberhalb von Cis 2 mit allen 3 Mundstücken stark nach oben. Der gesamte Bereich ist gefährlich hoch, wobei E 3 nochmals weiter nach oben ausreißt. In dieser Lage ist der Saxophonist  zwar Kummer gewohnt, aber beim ANTIGUA WINDS Tenor muß der Ansatz in der hohen Lage schon einiges an Korrekturarbeit leisten, wenn man in tune spielen will.
Einen Test in höherer Grundstimmung (a=442Hz) haben wir uns nicht getraut, da die kurzen Töne hierbei im Verhältnis noch höher ausfallen.
Der Sound des Saxophons ist Selmer-ähnlich; eventuell nicht ganz so strahlend und etwas leiser, aber immer noch kräftig und voll. Dies gilt für den gesamten Tonumfang ohne nennenswerte Einschränkungen. Vom Sound her hinterließ das Instrument einen guten Eindruck.
 

ZUBEHÖR

Das Saxophon wird in einem nicht gerade üppigen aber zweckmäßigen Etui geliefert. Die Außenhaut besteht aus zwei Kunststoffschalen; die beiden (abschließbaren) Schlösser sind in einen Aluminiumrahmen integriert, der das Etui stabilisiert. Da Ober- und Unterschale völlig gleich sind, muß man beim Öffnen des Etuis recht genau hinsehen, welche die Unterseite ist, damit einem das Instrument beim Öffnen nicht aus dem Etui fällt. Das Etui hat außer dem normalen Griff einen zweiten Griff und einen zweiten Satz Füße, die es ermöglichen, das Etui auch hochkant zu tragen und abzusetzen. Die Innenauskleidung besteht aus zwei mit schwarzem Stoff überzogenen Formblöcken. Sie bieten ein gut passendes Fach für das Instrument, ein großes Zubehörfach, zwei Extrafächer für S-Bogen und Mundstück. Zwei Schlüssel werden mitgeliefert.

Weiters Zubehör ist das oben beschriebene Mundstück mit Kunststoff-Kapsel und Messing-Blattschraube. Die beiden Schräubchen haben deutlich vergrößerte Griff-Flächen, so daß sie beim Einspannen des Blatts sehr angenehm zu bedienen sind.
Bei dem Trageband wurde arg gespart; es ein sehr schmales, dünnes Textilband mit schmaler, dünner Verstell-Schnalle und einem (offenen) Metallhaken. Es gibt ein gelbes Poliertuch zur Pflege der Außenfläche; einen Durchziehwischer für die Innenseite muß man selbst nachkaufen. Als nette Geste gibt es eine Blatt mit Aufklebebuchstaben, mit denen man sein Monogramm auf den Koffer kleben kann.
Auffällig ist, daß die Rändelschraube für die Marschgabelhalterung als Zubehör  in einem Tütchen extra beigelegt wurde. Dies könnte folgenden Grund haben: erfahrungsgemäß ist diese Schraube bei den meisten Saxophonen spätestens nach 2 Jahren sowieso verlorengegangen. Also ist es am besten, die Schraube direkt aus dem Koffer nehmen und bis zum nächsten Martinszug im Tresor aufzubewahren.

Die unverbindliche Preisempfehlung für das ANTIGUA WINDS Tenor liegt bei 1.189,-EUR
 
 

PLUS:
Preisgünstiges, voll ausgestattetes Instrument
Tadellose Verarbeitung
Schöner Klang
Leichte Ansprache

MINUS:
Problematische Intonation in der hohen Lage
Drückergruppe für rechten kleinen Finger wenig fingerfreundlich
Federspannung zum Teil unausgeglichen
 

                                      Klaus Dapper

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Erstveröffentlichung in  sonic - wood & brass


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