Übersicht Testberichte                                                                                           Autor
 
 

Alter Bekannter in neuem Gewand

Das neue Yamaha Altsax YAS 62

Wieso neu; das Modell gibt es doch schon ewig? In der Tat ist das 62er Yamaha Alt  ein bewährter  Dauerbrenner unter den Profisaxophonen. 1979 Jahre löste es das erste Yamaha Alt YAS 61 ab, seitdem gab es nur 1995 eine nennenswerte Änderung: Es hieß nun 62 E und verfügte für den linken kleinen Finger über eine „Wippe“, eine kippbar gelagertes Griffteil der tief-B-Klappe nach Selmer Mk-6 - Vorbild, die zu dieser Zeit bei allen anderen Herstellern bereits Standard war. Außerdem wurde der Namenszug in braunem Lack von einer Gravur abgelöst: Geschmacksache. Seit Anfang November `02 gibt es nun ein neues Modell.

In der industriellen Fertigung gibt es einen sarkastischen Spruch: “Wenn sich etwas bewährt, wird es geändert“. Dies kann man auch bei der Blasinstrumenten-Produktion des öfteren beobachten. Glücklicherweise machen die Yamaha Saxophone der 62er Reihe bislang eine Ausnahme. Sie hatten von Anfang an den Ruf, die am besten stimmenden Altsaxophone auf dem Weltmarkt zu sein, gepaart mit einer besonders leichten Ansprache. Sie wurden daher auch bald von einem beachtlichen Teil der Klassiker (z. B. Eugene Rousseau) wie Jazzer (z.B. Bobby Watson, Phil Woods) vereinnahmt. Wenn jemand etwas zu meckern hatte, war es entweder gerade diese Leichtigkeit der Ansprache, oder es war der Sound, und der ist bekanntlich Geschmackssache. Alles in allem war es also eine gute Idee, dieses bewährte Instrument bis heute weitgehend unverändert zu lassen.
Bei soviel Lob und Anerkennung für die 62er Serie über die Jahre wirkt die Ankündigung einer Modell-Änderung eher wie eine Bedrohung als wie eine Chance. Mancher mag besorgt fragen, ob die hervorragende Intonation und der angenehm niedrige Blaswiderstand den Modellwechsel heil überstanden haben. Zur Beruhigung der Leser: An Tonlochnetz, Konusform, Wandstärke und Klappenwerk (Ausnahme: Oktavhebel) wurde nichts geändert.
Besonders gefreut hat mich, daß die Es- und C-Klappe (kleiner Finger rechts) nach wie vor auf einer gemeinsamen Achse sitzen, wie beim guten alten Mk 6. Hier wurde bei vielen anderen Herstellern in  den letzten Jahren kräftig experimentiert; entweder wurden die Achsen (in 2 Etagen) untereinander angeordnet (Yanagisawa) oder nebeneinander ( Selmer 80SASerieII), und ganz Taiwan macht es nach. Alles hatte den Erfolg, daß beide Griffteile in unterschiedlichem Winkel nachgeben und das Rutschen von C nach Es und zurück unbequemer wird. Auch wenn die Griffteile immer größer werden.

Was ist also neu am neuen 62er?
Die wichtigste Neuerung ist ein neuer S-Bogen. Es handelt sich um den G-1 Bogen, ähnlich dem, der seit vielen Jahren auch bei der Custom-Serie Verwendung findet. Beide Bögen haben die gleichen Maße, aber der „Custom G1“ unterscheidet sich von unserem G1 durch ein aufwendigeres Herstellungsverfahren. Der normale G1 wird aus nahtlosem Rohr hydraulisch geformt, während der Custom G1 nach alter Väter Sitte aus gelötetem Rohr hergestellt wird. Zu unterscheiden sind sie am Schriftzug : G1 oder Custom G1.
Der alte 62er Bogen tut übrigens auf dem neuen 475er Alt, dem Nachfolger des 32er Modells, weiter seinen Dienst. Er ist also für Nostalgiker weiter erhältlich. Wir haben uns den alten 62er/neuen 475er Bogen schicken lassen, um einen direkten Vergleich alt/neu vornehmen zu können. Der G1 Bogen scheint ca 2 mm länger zu sein (an der Unterseite gemessen). Man merkt dies daran, daß das Mundstück etwas weiter über den Kork geschoben werden muß. Auffällig ist, daß das Oktavröhrchen immerhin 12 mm weiter in Richtung Steckverbindung eingesetzt ist als bei dem alten 62er Bogen.

Die Oktavklappe des G1-Bogens ist anders geformt, als ihre Vorgängerin: Der Ring, der von dem Oktavhebel am Hauptstück betätigt wird, ist nicht so weit heruntergezogen wie beim ursprünglichen 62er Bogen. Entsprechend ist der Verbindungsstift am Hauptstück länger als früher und ragt jetzt über das obere Ende des Instruments hinaus. Bei der früheren kurzen Bauweise war er gegen Verbiegen und Abbrechen auch dann geschützt, wenn die Plastik-Schutzhülse verloren gegangen war. Bei der neuen längeren Bauweise ist er das nur, solange die Schutzhülse verwendet wird. Damit entspricht das 62 auch in diesem Punkt dem internationalen Standard. Nun ist es auch möglich, das Yamaha 62 ohne Anpassungsprobleme mit Selmer- oder Yanagisawa- oder Jupiter-Bögen zu kombinieren; früher scheiterte dies in den meisten Fällen am zu kurzen Oktavstift.  Dem geringeren Schutz vor Beschädigung steht ein Vorteil der Kombinierbarkeit mit anderen Bögen gegenüber, was besonders bei professioneller Anwendung recht interessant ist.
Eine weitere mechanische Veränderung betrifft den Klappenschutz. Vom ersten Yamaha Alt-Sax aus den frühen 70er Jahren bis heute hat sich bei Altsaxophonen ein Baumerkmal behauptet, das nur teilweise Zustimmung fand: der lange Klappenschutz („key guard“) für die tiefsten Klappen. Während heute alle Saxophone ein 2er Korb für tief-H und –B und einen einzelnen für tief-C haben, gab es bei Yamaha einen 4er Korb, der von tief B über die sonst ungeschützte Cis-Klappe bis zum C reicht. Dieser lange Klappenschutz mag im Getümmel optimalen Schutz bieten; er macht aber Probleme, wenn man das Saxophon in einen Ständer stellen will. Für den langen Klappenschutz gibt es eine Stütze, die genau da sitzt, wo die meisten Saxophonständern mit ihrer unteren Gabel angreifen. Noch bei dem letzten Saxständer-Test (sonic Nov´02) wurde auf dieses Problem besonders hingewiesen. Der Himmel hat unser Flehen erhört: Dieses Problem ist ab sofort behoben.  Auch in diesem Punkt ist man auf den internationalen Standard eingeschwenkt.

Spieltest

Nun zum Spieltest. Das Stimmgerät wurde auf a=440 Hz eingestellt. Zunächst der alte Bogen mit den gewohnten Eigenschaften und der traumhaft ausgeglichenen Intonationskurve. Dann der G1-Bogen. Die Ansprache ist ähnlich leicht; klanglich gab es eine angenehme Überraschung: Der G1  klingt etwas freier und strahlender als der 62er Bogen, ist also für Spieler interessant, die mit dem Sound des 62er Alt bisher nicht völlig zufrieden waren. Enttäuschung dagegen gab es bei dem Blick auf das Stimmgerät: Bei allen Tönen, bei denen die S-Bogen-Klappe aktiv wird, sind die Oktaven zu groß, d. h. die hohen Töne im Vergleich zu den tiefen zu hoch. Von Cis3 bis Fis3 sogar beträchtlich. Es sieht so aus, als paßte der G1-Bogen besser zu der Custom-Reihe  als zum 62er Body.
Da wir so etwas von Yamaha nicht gewohnt sind, wurde das 62er zum Vergleich mit einem Selmer Mk-6 Bogen und einem Yanagisawa Bogen Nr. 64 ausprobiert. Bei beiden Fremd-Fabrikaten reagierte die hohe Lage deutlich friedlicher: die Töne mit geöffneter S-Bogen-Klappe waren weniger hoch. Am besten aber waren die Ergebnisse eindeutig mit dem alten 62er Bogen.
Bei einer weiteren Testsitzung wurde das zunächst verwendete Charles Bay Mundstück gegen das beiliegende Yamaha 4 C Mundstück ausgetauscht.  Die Ergebnisse waren - besonders bei Cis 3 und darüber – ähnlich.
Solche Ergebnisse stellen nicht den Anspruch, 100%ig objektiv sein: jeder Mund ist anders und jedes Mundstück reagiert unterschiedlich. Aber eindeutig ist: die Intonation ist mit beiden Bögen deutlich unterschiedlich. Wer mit der Stimmung des alten Modells glücklich war, kann es mit dem neuen Bogen nicht sein. Also doch: „Wenn sich etwas bewährt, wird es geändert“. Meine Empfehlung: Den alten Bogen (den neuen 475er) oder einen der Zubehör-Bögen z.B. von Yanagisawa verwenden.

Zubehör

Die dritte auffällige Veränderung ist die Ablösung des dunkelbraunen, schmucklosen  aber sehr zweckmäßigen Koffers durch ein neues Modell. Der neue schwarze Koffer ist textil-überzogen, Decke und Boden haben eine weiche Oberfläche, und alle Metallteile (Schnallen, Schlösser, Scharniere)  sind schwarz vernickelt. Es gibt (wie früher) einen zweiten Griff zum Hochkant-Tragen des Koffers. Die Innenausstattung ist – abgesehen von der schwarzen Farbe – dieselbe wie früher. Neu sind zwei Ringe zum Tragen mit einem Schultergurt, der zum Zubehör gehört. Ob das neue Etui-Design der große Wurf ist, mag dahingestellt bleiben, auf alle Fälle trägt der Schultergurt entscheidend zur Lösung eines klassischen Konflikts bei: Koffer=transportunfreundlich,  aber guter Schutz /  Rucksacketui bzw. Gigbag= transportfreundlich, aber schlechter Schutz.

Preis

Der Preis des neuen 62er Alt liegt nach Angabe von Yamaha Deutschland 4-5% über dem Preis des alten Modells.

Plus
Bis auf den neuen Bogen unverändert hervorragende Spieleigenschaften
Dank des längeren Oktavhebels sind „Fremdbögen“ ohne weiteres verwendbar
Neuer Ständer-freundlicher Klappenschutz

Minus
Ungünstigere Intonation mit dem neuen S-Bogen

                                      Klaus Dapper

Übersicht Testberichte


copyright  © 2002/2003 by Klaus Dapper , Düsseldorf

Veröffentlichte Beiträge und Bilder sind urheberrechtlich geschützt .
Nachdruck, Vervielfältigung oder Übersetzung nur mit vorheriger Genehmigung des Autors.
All rights reserved. No part of this publication may be reproduced or transmitted in any form or by any means.

Erstveröffentlichung in  sonic - wood & brass


copyright © layout , 2003 by mike duchstein , berlin