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Neues aus Sachsen
 
B&S Altsaxophon „Series 600“

Nachdem wir in der Ausgabe 2/2003 das B&S Spitzenmodell „Medusa“ getestet haben, wollen wir uns diesmal das Basis-Modell näher anschauen. Zur Frankfurter Messe im Frühjahr 2002 löste die neue Serie 600die 500er Serie ab. Die Serie 600 ist – wie bislang die 500er Reihe – die preisgünstigste Baureihe der B&S Saxophone. Die Serien-Nr. unseres Test-Instruments ist 223806. 

Das 600er Alt gehört zu den Saxophonen, die vom Erscheinungsbild her stark an das Selmer Altsax (Super Action Serie II) erinnern. Es ist ein voll ausgestattetes Saxophon mit allen features der meisten Profi-Saxophone. Von der technischen Ausstattung und dem Spiel-Komfort her fehlt nichts, das einen Profi abhalten könnte, sich mit diesem Instrument auf die Bühne zu wagen. Wir waren allerdings etwas verwundert, vom Klappen-Styling her nicht mehr optische Verwandtschaft zu dem Medusa-Modell vorzufinden.

Der Schallbecher trägt eine knappe und schlichte Gravur mit den Worten: „B&S Markneukirchen / Klingental, Series 600“ umgeben von dem traditionellen Lorbeer-Kranz. Auch die Worte „made in Germany“, die das Medusa-Sax an dieser Stelle zierten, suchen wir vergebens. Auf Rückfrage wurde uns tatsächlich bestätigt, daß bereits seit ca. 3 Jahren die Instrumente der 500er Serie, nun die der 600er Serie in einem Partnerbetrieb in Taiwan hergestellt werden. Das war eine Neuigkeit aus Sachsen, die erst einmal verdaut werden musste. 

AUSSTATTUNG

Das Instrument ist vollständig in Goldlack gearbeitet. Die Achsböckchen sind – genau wie bei Selmer-Saxophonen –in Gruppen auf Schienen vormontiert.Das Kniestück verfügt über eine Steckverbindung mit Spannring. So können Schallbecher und Knie abgenommen werden, und bestimmte Reparaturen (z.B. Beulen entfernen) werden leichter ausführbar bzw. billiger.

Für die Justierung der Klappenkoppelung besitzt das Instrument die üblichen sechs Einstell-Schrauben: F-B-Gis-Koppelung, gegliederte Gis-Klappe,tief Cis-Verbindung, tief-Cis-Sperre, vorderer Hoch-F-Hebel. Die 4 Anschläge in den Körbchen der Knie- und Becherklappen (Selmer-Styling) sind ebenfalls nach Selmer-Art mit dem Schraubenzieher verstellbar.

Für die Klappenanschläge und Koppelungen verwendet man überwiegend Naturkork bzw. Filz, lediglich in 3 Einstellschrauben befinden sich schwarze Kunststoff-Einsätze. Für den S-Bogen-Kork wird Press-Kork verwendet, der aus Kork-Granulat und Bindemittel hergestellt wurde. Der gleiche Press-Kork wird an dieser Stelle auch für das Spitzenmodell „Medusa“ verwendet. Die üblichen 9 Finger-Einsätze sind aus Perlmutt-ähnlichem Kunststoff, ebenfalls wie bei dem „Medusa“ Modell. Das Griffteil für die vordere Hoch-F-Klappe ist ein tropfenförmiger Metall-Drücker,der von einem nach Selmer-Art abgewinkelten Arm gehalten wird. 

Auch die Kleinfinger-Klappen entsprechen dem Selmer-Design: B-Wippe für den linken kleinen Finger, C- und Es Klappe (rechter kleiner Finger) in 2 Etagen angeordnet wie beim 80 Super Action Serie III. 

Die Halterung für die Marschgabel wurde – wie bei Selmer – in die S-Bogen-Verschraubung integriert.

Sämtliche Federn sind aus Blaustahl, die Daumenauflage (links) ist aus schwarzem Kunststoff. Für den Daumenhaken rechts gibt es für die Käufer ein Bonbon: Solange sich die Ideologen nicht einigen können, ob ein Daumenhaken aus Metall oder Kunststoff besser ist, wird ein Kunststoffhaken montiert und ein Metallhaken als Zubehör mitgeliefert (!).Beide Daumenhaken sind seitlich verstellbar.

Die Polster sind mit Metallreflektoren ausgestattet und möglicherweise mit einer Imprägnierung versehen: Ein Teil der im Ruhezustand geschlossenen Klappen machen beim Öffnen vernehmbare Schmatz-Geräusche. 

VERARBEITUNG

Alle Lötstellen des Testinstruments sehen makellos aus, ebenso die Lackierung. Achsspiel gab es nicht, toter Gang war nur an einer einzigen Stelle zu entdecken: die Oktavmechanik verschluckt einen merklichen Teil der Bewegung, bevor sie sie an die S-Bogen-Klappe weitergibt. Dies ist aber bei dem Vorbild Selmer und fast allen Nachahmern nicht anders und wird von der überwiegenden Mehrheit der Saxophonisten mit Gleichmut hingenommen. 

Um die Deckung der Polster zu überprüfen, wurde eine Leuchtstoffröhre in das Hauptrohr versenkt. Die Fis-Klappe deckte nicht gut: Bei gedrücktem F oder Fis war unter der Vorderseite des Polsters der Fis-Klappe ein verräterischer Lichtschimmer zu beobachten. Wenn beide Finger drückten (E-Griff), war die Klappe schließlich zu. Die D-Klappe (4. Finger rechts) dagegen deckte richtig schlecht: Nur wenn man sehr feste drückte, bekam man die Klappe vollständig zu. Unser erster Eindruck, daß die tiefe Lage des Instruments ungewöhnlich unwillig war, fand nun seine Erklärung. Vor dem weiteren Test mußten wir zunächst diese beiden Deckungsfehler beheben, da wir ja eigentlich wissen wollten, was das Instrument kann, wenn es völlig in Ordnung ist. Hier sollte bei B&S unbedingt sorgfältiger gearbeitet werden. Wenn tadellose Deckung der Polster bei no name China-Saxophonen möglich ist, muß dies den europäischen Herstellern unbedingt auch gelingen. Vom Preis her können europäische Saxophone sowieso nicht mithalten; Konkurrenzfähigkeit ist nur über hohe Qualität möglich. 

SPIELTEST

Fingerfreundlichkeit

Im großen Ganzen kann man dem 600er Alt eine sehr gute Grifflage bescheinigen. Grundsätzlich istder Federdruck durchschnittlich bis fest eingestellt und entspricht damit eher den Profi- als den Schüler-Anforderungen. Insbesondere die Klein-Finger-Mechanikenbenötigen reichlich Fingerdruck. Während dies bei dem linken kleinen Finger noch im Rahmen des Üblichen war, war es für den rechten kleinen Finger manchmal eine Quälerei. Die tief-C-Klappe unseres Testinstruments benötigt von allen Klappen den meisten Fingerdruck. Die Klappen für tief-Es und tief-Cliegen in zwei Etagen untereinander. Beim Rutschen vom Es zum C bekamen wir die C-Klappe kaum zu, da zu demkräftigen Federdruck der C-Klappe noch die unterschiedliche Druckrichtung hinzukommt. Wir hätten uns die „alte“ einachsige Klappenanordnung gewünscht, am liebsten im Selmer Mk 6-Styling, wie sie auch heute noch bei Yamaha-Saxophonen verwendet wird.

Ansprache und Klang

Das beiliegende B&S Kunststoff-Mundstück (ohne Bahnangabe) erwies sich in Verbindung mit dem beiliegenden Vandoren 3er Blatt als ordentliches allround-Mundstück. Alternativ wurde eine Klassik-Kombination verwendet (Yamaha 4 C / Vandoren 3er Blatt) und eine Jazz-Kombination (Selmer Super SessionE mit Rico Nr. 2 ½).

Die Ansprache des 600er Altsax ist durchschnittlich, nicht zu leicht, eher auf die Bedürfnisse eines erfahrenen Saxophonisten als auf die eines Anfängers zugeschnitten.Die tiefsten Töne (Cis 1 und tiefer) gehen – auch nach der Reparatur - etwas schwerer, bleiben aber im Rahmen.

Klang und Volumen des B&S 600 sind, wie sich das für eine Selmer-Kopie gehört, sehr Selmer-ähnlich. Es klingt über den gesamten Tonumfang recht homogen, es produziert die gleiche Lautstärke und in etwa die gleiche Klangfarbe wie das zum Vergleich herangezogene Mk 6; lediglich ein bißchen von dem Glanz des Mk 6 Sounds fehlt. 

Intonation

Als Grundstimmung wurde vom deutschen Vertrieb a = 440 Hz angegeben, wir machten danach noch einen zweiten Test mit a = 443 Hz. Die besseren Werte gab es tatsächlich in der tiefen internationalen 440-Hz-Stimmung. Durchgängig ist die Intonation hier recht ausgeglichen, nur Cis3 bis E3 zeigen eine deutliche Tendenz nach oben. Da man in dieser Lage sowieso Kummer gewohnt ist, bringen die vertrauten Ausgleich-Reflexe die Tonhöhe leicht in den gewünschten Bereich. Beihöherer Stimmung (a = 443 Hz) gerät die Intonationskurve bereits leicht aus den Fugen: die Oktavreinheit verschlechtert sich, da die zweite und dritte Oktave stärker nach oben abdriften. 

ZUBEHÖR

Dem Saxophon liegt das beschriebene Kunststoff-Mundstück mit der Aufschrift „B&S“ bei. Zu dem Mundstück gehört eine vernickelte Blattschraube und eine Kappe aus Kunststoff. Ungewöhnlich und sympathische ist das Exklusiv-Zubehör: der mitgelieferte zweite Daumenhaken aus Metall. 

Das weitere Zubehör wird von dem deutschen Vertrieb beigesteuert: ein Durchzieh-Wischer, den man sonst bei vielen anderen Saxophonen extra kaufen muß, und ein Trageband mit Schnapp-Haken und breiter Nackenauflage. Das Trageband ist dünner und wirkt weniger stabil als andere Bänder mit derselben Nackenauflage, aber es funktioniert. Auch an ein Pflegetuch zur Entfernung der Wasserflecken undFingerabdrücke nach dem Spiel wurde gedacht. 

Das Etui besteht aus zwei abgerundet rechteckigen Halbschalen aus stabilem ABS, die mit einem umlaufenden Aluminium-Rahmen verbunden sind. Es wird keinen Schönheits-Wettbewerb gewinnen, aber es ist stabil und funktionell. Es ist innen mit schwarzem Plüsch ausgekleidet. Das Instrument liegt sicher in seinem Nest; daneben gibt es zwei Extra-Nester für Mundstück und S-Bogen und das übliche große Fach für Krimskrams. In den Alu-Rahmen eingearbeitet sind zwei Plastik-Griffe (einer zum Hochkant-Tragen) und zwei verschließbare Schlösser. Es gibt zwei Ösen und einen breiten Schultergurt, mit dem der Koffer über der Schulter getragen werden kann. Abgesehen von dem ungewöhnlichen zweiten Daumenhaken ist das Zubehör insgesamt zwar nicht luxuriös, aber reichhaltig und zweckmäßig. 

Die unverbindliche Preisempfehlung liegt bei 870,-EUR

Resummee

Vor vielen Jahren sagte uns Patrick Selmer in einem Interview, daß der Anteil des Arbeitslohns an den Herstellungskosten eines Selmer Saxophons bei 80 - 85 %(!) liegt.Es war daher zu erwarten, daß früher oder später die ersten europäischen Hersteller denselben Weg in Niedriglohn-Länder beschreiten, den Hersteller von Computern und Kameras schon vor über 20 Jahren gegangen sind. Zumindest für preiswerte Einsteiger-Instrumente führt in Anbetracht des hohen Niveaus deutscher Arbeitslöhne praktisch kein Weg mehr daran vorbei. Keilwerth pflegt schon seit über 10 Jahren eine enge Kooperation mit dem tschechischen Amati-Werk, welche die kostengünstige Produktion der preisgünstigsten Serie ermöglicht. Nun ist es soweit: der erste deutsche Saxophon-Hersteller hat einen Teil seiner Produktion nach Taiwan ausgelagert. Sofern die Qualität stimmt, werden sich die Kunden wohl genauso daran gewöhnen, wie sie sich im Elektronik-Bereich daran gewöhnt haben. Geschickte Handwerker gibt es in China allemal; was bislang meistens fehlte, war der know-how-Austausch mit westlichen Herstellern und das feedback erstklassiger Musiker. Hier liegt wohl der wichtigste Unterschied zwischen dem 600er B&S Altsax, das über den entsprechenden Hintergrund verfügt, und den noch billigeren no name Saxophonen aus Taiwan und der Volksrepublik China. 

Pro 

-Vollständig ausgestattetes, preisgünstiges Einsteiger-Saxophon mit deutschem background 

-Ansprache, Intonation und Klang gut

-Reichhaltiges, zweckmäßiges Zubehör

Contra

-Zwei Deckungsfehler beim Testinstrument

-Kleinfinger-Klappen benötigen sehr viel Kraft


                                      Klaus Dapper

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Erstveröffentlichung in  sonic - wood & brass


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