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70 Jahre Meyer Mundstücke 

In den 30er Jahren des vergangen Jahrhunderts gründeten die Brüder Ed und Frank Meyer in New York die Firma „Meyer Bros.“ (Bros. =Abkürzung für „Brothers“). Sie bauten zunächst Klarinetten-, später auch Saxophon-Mundstücke.  Seit vielen Jahrzehnten gehören Meyer-Mundstücke zu den weltweit renommiertesten Saxophon-Mundstücken. Besonders für das Altsaxophon zählen Meyer-Mundstücke zur Standard-Ausstattung, daneben gibt es (schon seit den 30er Jahren) Tenor- und Bariton-, seit jüngerer Zeit auch Sopransax-Mundstücke.   Wenn sich Altsaxophon-Neulinge bei Profis nach Mundstückempfehlungen erkundigen, fällt fast immer das Wort „Meyer“.

Anfangs wurden Meyer-Mundstücke in 3 Ausführungen gebaut: in Kautschuk, in einer patentierten Bronze-Legierung (dem Messing ähnlich)  und einem kristall-klaren „Crystalite“, das bereits vor langer Zeit wieder eingestellt wurde. Alte Meyer Metall-Mundstücke sind dem Autor nur als Tenor-Mundstücke bekannt. Heute gibt es sie in Alt- und Tenor-Ausführung. Die alten Meyer-Metall-Mundstücke sehen aus, als wären sie aus „Otto Link“-Rohlingen gefertigt.  

Spezialität der Meyer Mundstücke war von Anfang an bis heute, dass sämtliche Bahnöffnungen in 3 verschiedenen Bahnlängen (S, M und L) und in 3 verschiedenen Kammerformen („small/medium/large chamber“) erhältlich waren. Somit ergab sich eine ungewöhnlich große Anzahl von Ausführungen: Jede Bahnöffnung konnte von Anfang an in 9 verschiedenen Varianten (!) erworben werden.

Der amerikanische Mundstück-Experte Ralph Morgan veröffentlichte 1995 im „Saxophon Journal“ eine Tabelle mit den genauen Maßen, die einer in seinem Besitz befindlichen Original-Liste der Firma Meyer aus dem Jahr 1939 entsprach. Interessant ist eine Gegenüberstellung mit einer Vergleichs-Liste aus dem Jahre 1970, ebenfalls aus dem Archiv von Ralph Morgan, die ein „leading retailer“, also einer der großen amerikanischen Einzelhändler veröffentlicht hatte. Wir verglichen die Angaben über Bahnöffnungen mit einer Vergleichs-Tabelle aus dem Katalog von „Woodwind and Brasswind“ aus dem Jahr 1999: die 1970er Daten waren noch immer aktuell.

Die frühen Meyer-Mundstücke trugen  auf der Oberseite in Längs-Richtung (vom S-Bogen zum Spieler hin) den Stempel „MEYER“; am dem Spieler zugewandten Ende trug es einen weiteren Stempel "NEW YORK". Auf der Unterseite gab es einen weiteren Stempel „TRU-FLEX FACING“. Er befand sich in einer Vertiefung, die unter einem großen Teil der Blattauflage ausgearbeitet war. Auf dieses Design hatten die Brüder Meyer ein Patent angemeldet: Es sollte ein freieres Schwingen des Blatts bis in den Schaftbereich ermöglichen. Anscheinend hat sich diese Vertiefung nicht bewährt: sie wurde für spätere Modelle nicht übernommen. Grund war möglicherweise, dass das feuchte Blatt an dieser Stelle frei aufquellen konnte und sich dadurch verzog. Die Bahnöffnungen waren mit Nr. 2 bis Nr. 6 gekennzeichnet. Eine weitere Kennzeichnung der unterschiedlichen Kammerformen und Bahnlängen gab es bei diesem Modell noch nicht. Die „Tru-Flex“-Mundstücke wurden etwa bis 1950 gebaut.

meyer true flex 

Die begehrtesten Meyer-Mundstücke waren die der50er und 60er Jahre: Gestempelt: „MEYER“ (nun quer zur Blasrichtung), darunter klein: „BROS.“, und der Stempel „NEW YORK“ auf dem Schaft. Seit diesem Modell (bis heute) befindet sich auf der Blattauflage ein Rhombus, in dem die Nummer der Bahn, die Worte „MEYER LAPPED FACING“ und die Bahnlänge (S/M/L) zu lesen waren. Die Angabe der Kammergröße (z.B. „MEDIUM CHAMBER“) findet sich auf der Unterseite des Schafts. Cannonball Adderley spielte in diesen Jahren ein 5 MM Mundstück; auf einigen Abbildungen sieht man dieses Mundstück in einer Sonder-Ausführung: mit einem breiten Metall-Ring über dem Schaft. Auch Phil Woods spielte die alten  „Meyer/New York“ Mundstücke, Bahnöffnung Nr. 5. Der Autor dieser Zeilen bot vor einem Jahr solch ein Mundstück bei ebay Deutschland  zum Verkauf an. Als der Preis 250,- EUR überschritt, wurde den Bietern mitgeteilt, es stehe nur das Mundstück, also ohne Saxophon, zum Verkauf. Der Auktionspreis erreichte schließlich einen Preis von über 400,-EUR.

meyer bros 

Bei dem nächsten Modell verschwand der Stempel „BROS.“  vom Mundstück. Der Stempel auf dem Schaft lautete „NEW YORK U.S.A.“. Auch diese Modelle sind noch sehr gefragt. Achtung: Die Bahnen dieser Mundstücke entsprechen übrigens bereits der 1970-er Abmessungen unserer Liste!

Um 1973 wurde die Firma Meyer an den Mundstück-Hersteller „JJ Babbitt“ verkauft und zog nach Elkhart, Indiana, um. Babbit ist ebenfalls ein traditionsreicher Mundstückhersteller, gegründet von Jesse James Babbitt im Jahre 1919. Babbitt ist damit einer der ältesten Mundstück-Hersteller weltweit. Jesse lernte sein Handwerk vor dem ersten Weltkrieg bei der C.G. Conn Ltd. in Elkhart, Indiana. Der erste größere Auftrag seiner eigenen Firma war die Herstellung von Klarinettenmundstücken für die Holton Co. in Wisconsin. Die Firma Babbitt wurde nach dem zweiten Weltkrieg immer erfolgreicher; um 1970 begann sie mit der Übernahme anderer namhafter Hersteller von Mundstücken wie Meyer, Otto Link, Wolfe Tayne und Guy Hawkins. Auch die Rascher-Mundstücke werden bei Babbitt gefertigt.

Nach dem Verkauf an Babbitt sind die Meyer-Mundstücke mit „MEYER“ und „MADE IN U.S.A.“ in Goldlettern gestempelt.

Die Spieleigenschaften haben sich von Modell zu Modell geringfügig geändert, bedingt durch leicht unterschiedliche Kammerformen, im Grunde aber behielten die Meyer-Mundstücke ihre charakteristischen Klang-Eigenschaften. Ein Problem für die Saxophonisten war allerdings, daß irgendwann vor 1970 die Anzahl der verfügbaren Öffnungen deutlich erweitert und gleichzeitig das alte Nummerierungs-System völlig über den Haufen geworfen wurde. Seitdem ist es nicht ganz leicht, alte und neue Meyer Mundstücke miteinander zu vergleichen. Die modernen Abstufungen sind kleiner, und das von Cannonball Adderley gespielte 5 MM-Modell entspricht heute – zumindest was die Bahnöffnung betrifft - ungefähr dem modernen 7er Modell. Eine „erste Hilfe“ sollen die beiden beigefügten Tabellen wenigstens den Alt- und Tenorsaxophonisten geben.

Zu den bewährten Modellen kamen weitere dazu: in den 80ern ein Modell „Ritchie Cole“ (nur als 5 M- Version erhältlich), vor einigen Jahren eine Reihe „LIMITED EDITION NEW YORK“, mit der Babbitt letztlich die alten Modelle aus den 60ern wieder aufleben ließ, und jüngst ein Modell „G“, das sich an dem Saxophonsound von  Paul Desmond (z.B. „Take Five“ mit dem Dave Brubeck Quartet) orientiert.

meyer mouthpiece Von den 50er Jahren bis in die 80er gab es in Deutschland Verwechslungs-Gefahr:
Der deutsche Großhändler Gotthold Meyer (nicht verwandt mit Ed und Frank Meyer) vertrieb damals eigene „Meyer“ Mundstücke, die mit den amerikanischen (außer dem gleichen Namen) nichts zu tun hatten und in wesentlich weniger gutem Ruf standen. Während der amerikanische Namenszug „MEYER“ immer in Großbuchstaben und das „Y“ wie eine Stimmgabel geformt war, trugen die deutschen Meyer-Mundstücke  den weiß gefärbten Namenszug in einer schwungvoll verzierten Schreibschrift.

 

Weitere Informationen:

Eine interessante homepage zum Thema „Saxophonmundstücke“ allgemein und „Meyer Mundstücke“ im Besonderen findet sich bei Theo Wanne´s Mouthpiece Heaven.  Theo bietet auch ältere Meyer-Mundstücke zum Verkauf: Zu Preisen von bis über 900 US$  !!

Interssant ist auch die homepage von JJ Babbitt, die einen virtuellen Spaziergang durch die Mundstückfertigung ermöglicht.

www.mouthpieceheaven.com/misc/meyer.htm

www.jjbabbitt.com

         
 

                                      Klaus Dapper


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Erstveröffentlichung in  sonic - wood & brass


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