Testbericht von Klaus Dapper , September.1995
Bewegung im Blätterwald Teil IIBereits der Ausgabe 12/94 haben wir Ihnen ein synthetisches Saxophonblatt eines amerikanischen Herstellersvorgestellt (Fibracell Reeds), das ähnliche Strukturmerkmale wie ein Holzblatt aufwies und recht ähnliche Spieleigen- schaften aufwies. Nun hat auf der diesjährigen Musikinstrumentenmesse ein deutscher Hersteller ein weiteres interessantes synthetisches Saxophonblatt vorgestellt. Hersteller ist die Stuttgarter Firma Hartmann und Hahn. In ihr haben sich der Profisaxophonist Harry Hartmann und der Techniker Dieter Hahn in mehrjähriger Forschungs- und Ent- wicklungsarbeit zusammengearbeitet, um ein optimales synthetisches Blatt zu entwickeln. Auch mit dem Fiberreed wurde das Konzept
verfolgt, ein Material zu finden, das der Zellstruktur des natürlichen Rohrholzes möglicht nahekommt. Man fand schließlich ein Material, dem man die Bezeichnung HFC (Hollowfiber Foamresin Compound) gab. Es ist weiß und hat Textilstruktur; es hat eine gewisse Ähnlichkeit mit jenen Fiberglas-Matten, mit denen Löcher in Auto- oder Bootswänden ver- schlossen werden. Ungewöhnlich für die Verwendung als Saxophon- blatt ist die den Textilmaterial eigene Struktur mit Längs- und Querfasern. Andererseits ist es hiermit gelungen, ein Material zu finden, das nicht nur Elastizität, Leichtigkeit und die poröse Struktur des Holzes besitzt sondern auch die hohlen Fasern (hollowfiber) mit ihren Luftkanälen. Durch das Tränken mit einem speziellen Kunstharz (foamresin) erhält das Gewebe seine spezifische Festigkeit. Über die Zusammensetzung dieses Harzes war für den Test keine rechtzeitige Informationen zu erhalten; gesund- heitliche Unbedenklichkeit der verwendeten Stoffe, die ja oft mehrere Stunden täglich mit dem Mund in Berührung kommen, soll hier zunächst
vorausgesetzt werden.Die Bearbeitung des Ausstichs erfolgt traditionell auf dieselbe Art wie bei Holzblättern. Auch ein Nachbearbeiten der Blätter ist in ähnlicher Weise möglich wie bei Holzblättern. Auf dem Rücken des Blattes ist eine schwarze Gummiauflage aufgeklebt, die die Verbindung zwischen Blatt und Blattschraube bedämpft. So kann das Blatt freier schwingen als es bei dem direkten Kotakt mit einer metallenen Blattschraube möglich ist.
Zum Spieltest standen zwei Tenorblätter und zwei Altblätter (jeweils Stärke Medium und Medium Soft) zu Verfügung. Daneben sind übrigens auch Medium Hard Blätter im Handel. Mit den Stärkebezeichnungen lehnt man sich an die Bezeichnungen der La Voz Blätter an. Erste Spielversuche ließen sich so gut an, daß ich die Tenor-Blätter direkt zu einer Musical- Produktion mit in den Orchestergraben nahm. Die Blätter fühlen sich etwas weicher an als die entsprechenden Stärken von La Voz. Das
Medium Blatt passt sehr gut zu meinem Gary Sugal 7 *, vergleichbar einem Otto Link 7 * Metallmundstück. Es entspricht nach meiner Erfahrung ziemlich genau einem nagelneuen 2 1/2er Rico Blatt. Das Medium Soft Fiberreed passt besser zu einem offenerem Mundstück. Vom Spielgefühl gab es kaum einen Unterschied zu meiner gewohnten Blattsorte; die Kollegen haben ebenfalls keinen Unterschied bemerkt. Bei sehr ähnlichem Klang erzielt man mit dem Fiberreed bei gleicher Spielweise eine etwas höhere Lautstärke. Bei meiner ersten Begegnung mit einem Fiberreed für Altsaxophon auf der Frankfurter Messe fand ich den Lautstärkeunterschied zu einem
traditionellen Blatt beträchtlich,der Unterschied beim Tenorsaxophon ist weniger auffällig. Einzige Schwachstelle sind leise Passagen in der tiefen Lage. Klassiker sind daher mit einem Naturblatt wahrscheinlich immer noch besser aufgehoben. Für alle anderen Stilbereiche ist das Fiberreed bequem zu spielen und uneingeschränkt zu empfehlen.
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Neben den guten Spieleigenschaften hat das Fiberreed dieselben Vorteile wie alle anderen synthetischen Blätter: Sie sind feuchtigkeitsunabhängig. Man braucht sie vor dem Spielen nicht anzufeuchten, sie wellen sich nicht und können in längeren Spielpausen nicht eintrocknen. Sie sind deutlich langlebiger; man kann gegenüber Naturblättern mit einer viel- fachen Lebensdauer rechnen. Ob die Fiberreeds die 20-fache Lebens- dauer erreichen wie vom Hersteller angegeben, mag dahingestellt
sein. Es gibt nur noch unmerkliche Unterschiede zwischen den einzelnen Blättern derselben Stärke.Der deutsche Vertrieb liegt bei der Firma Musik Meyer, Marburg. Der empfohlene Verkaufspreis liegt bei 46,20 DM für das Altsax-Blatt und 49,50 DM für dasTenor-Blatt.
Klaus Dapper
Erstveröffentlichung
im Praxismagazin für Bands & Entertainer " live
- MUSIC - artist ".