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Bericht von  Klaus Dapper  ,     November.1995
 
Altus Querflöten

"Altus" bedeutet "hoch", und hoch sind die Ziele, die sich der japanische Flötenbauer Shuichi Tanaka mit seinen handgearbeiteten Querflöten gesetzt hat.

Zunächst einige Worte über den Flötenbauer Shuichi Tanaka. Seine  Aus- bildung machte er bei der Firma Muramatsu, der Firma mit dem  traditions- reichsten Namen im japanischen Flötenbau. Danach arbeitete er in leitender Position für Miyazawa. Im Jahre 1977 machte er sich mit der Gründung der Firma Takumi als Flötenbauer selbständig. Später erhielt er eine Anfrage der Firma Jupiter aus Taiwan, ob er die Produktion der Jupiter-Querflöten
auf einen höheren Qualitätsstandard bringen könne. Unter der Bedingung, daß er daneben weiter handgearbeitete hochwertige Flöten bauen dürfe, willigte er ein und übersiedelte nach Taiwan. Mit diesen handgearbeiteten Flöten unter dem Namen "Altus" begann er im Jahre 1981. Nach und nach entstand so große Nachfrage nach Altus Querflöten, daß die Gründung einer neuen Produktionsstätte unumgänglich wurde. Hierfür orientierte man sich
wieder nach Japan. Seit 1990 werden die Altus Querflöten in der neuen Werkstatt in Japan gebaut.

Im Gegensatz zu vielen Herstellern handgearbeiteter Querflöten, die sich mit Flöten geringerer Preisklassen gar nicht erst abgeben, gibt es Altus  Quer- flöten in allen Qualitätsstufen, wenn man einmal vom untersten  Markt- segment absieht. Hier macht es sich bezahlt,daß Herr Tanaka sich im Laufe seines Werdegangs als Flötenbauer intensiv mit allen Qualitätsklassen von den handgemachten Spitzeninstrumenten herunter bis zur industriell her- gestellten "Fabrikflöte" intensiv beschäftigt hat.  Die Palette beginnt mit der versilberten Neusilberflöte (Modell 807). Lediglich die Mundplatte ist aus reinem Sterling Silber.
Am Preis allerdings kann man merken, daß es sich nicht um eine schlichte Fabrikflöte handelt, sondern ein Instrument, das in wichtigen Eigenschaften bereits die Qualität der teuren Geschwister-Instrumente hat. Empfohlener Verkausfspreis: 2730,-DM. Unter der Modellbezeichnung 907 ist dann die Silberkopfausführung für 3190,-DM erhältlich. Die Silberrohrflöten gibt es in zwei verschiedenen Ausführungen. Zunächst die "traditionelle" Silberrohr- flöte, deren Rohr aus Sterling Silber hergestellt ist. Sterling Silber ist eine Silberlegierung, die durch einen Stempelaufdruck "925" gekennzeichnet wird. Dies bedeutet, daß 925 von 1000 Teilen (92,5 %) reines Silber sind. Der Rest ist ein bestimmter Anteil Kupfer und Nickel, der wegen der geringen Härte und Verschleißfestigkeit reinen Silbers zugefügt wird. Nun haben Forschungen ergeben, daß die berühmten Silberflöten der Jahr-
hundertwende, vor allem die des französischen Flötenbauers Luis Lot, aus einer anderen Silberlegierung mit einer etwas höheren Reinheit gemacht sind. Um diesem Vorbild nahe zu kommen, bietet Altus auch eine Silberrohrflöte aus sogenanntem "Britannia Silber" an, zu erkennen an dem Stempelaufdruck "958" für 95,8 % Silbergehalt. Die Flöte mit dem Sterling Silber Rohr (Modell 1007) ist für 5950,-DM, die mit dem Britannia Silber Rohr für 6420,-DM zu haben. Die nächste Kategorie ist die Vollsilberflöte, bei der auch die gesamte Mechanik (Schienen, Säulchen, Klappen) aus Sterling Silber gemacht ist. Sie ist ebenfalls mit Sterling Silber Rohr (Modell 1207, 9610,-DM) und Britannia Silber Rohr (Modell 1307, 10.100,-DM) zu haben. In der nächsten Kategorie gibt es Vollsilberflöten mit aufgelöteten Tonlochkaminen.. Die Sterling-Ausführung (Modell 1407) kostet 11.640,-DM, die Britannia-Ausführung (Modell 1507) 12.380,-DM. Spitzenreiter unter den Altus Vollsilberflöten ist das Modell 1607: Es entspricht der Ausstattung des Modells 1507, wird aber im Gegensatz zu diesem mit gelötetem Rohr gebaut. Auch diese Bauweise geht auf die be-
rühmten historischen Vorbilder zurück. Heute werden die Flötenrohre in aller Regel aus nahtlos gezogenem Rohr gebaut, das als Meterware bezogen wird und vom Flötenbauer nur noch in die perfekte Form gebracht wird. Bevor es die technischen Möglichkeiten gab, Rohre nahtlos zu ziehen, wurde ein passender Streifen Silberblech rund gebogen und die beiden Kanten hart zusammengelötet. Anscheinend hat ein auf diese Weise hergestelltes Flötenrohr andere akustische Eigenschaften als das nahtlose. Daher geben einige Flötisten einer Flöte mit Naht den Vorzug gegenüber einer nahtlosen. Das Modell 1607 kostet immerhin 13.450,-DM.
Sämtliche Preisangaben sind unverbindliche Preisempfehlungen des deutschen Vertriebs und beziehen sich auf die Grundausstattung: Deckelklappen oder Ringklappen, E-Mechanik, C-Fuß. Gegen Aufpreis werden sie mit H-Fuß (ab Modell 1007) und mit Cis- oder Hoch-g-
a-Trillerklappe ausgestattet (ab Modell 1207). Darüberhinaus gibt es von der Firma Altus Goldflöten, Alt- und Baßflöten.

Für eine Beurteilung standen uns die Modelle 907, 1007, 1107 1207 und 1607 in Ringklappenausführung zu Verfügung. Die übrigen Modelle konnten zum 5. Flöten Festival im September in Frankfurt begutachtet werden.


Sämtliche Altus Querflöten werden mit Spitzdeckelmechanik hergestellt. Die Spitzdeckel, bei denen der Klappenarm bis zur Mitte des Deckels reicht, ist seit längerer Zeit den teureren Flöten vorbehalten. Sie sind in der  Her- stellung aufwendiger als die traditionellen Klappen mit den Y-förmigen Klappenarmen, sie haben sich aber bei langjähriger Benutzung auch bei kräftigem Fingerdruck als stabiler und weniger anfällig gegen Verbiegen
erwiesen. Altus ist einer der ganz wenigen Hersteller, der auch bereits Neusilber-Flöten mit Spitzdeckeln ausrüstet. Im Gegensatz zu anderen Herstellern, die eine Art Baukastensystem mit verschiedenen Kopfstücken anbieten, Ist Herr Tanaka der Überzeugung, daß eine gute Querflöte mit ihrem Kopfstück eine ideale Einheit bilden. Daher wird jeder einzelne Kopf von ihm genau auf die jeweilige Flöte individuell zugeschnitten. Das Mundloch ist traditionell oval mit den Maßen 11,9 x 10,4 mm. Auf angeschrägte Flanken, wie man sie immer häufer sieht, wurde verzichtet.

Die Abstimmung des Tonlochsystems aller Altus-Flöten ist das Ergebnis langjähriger Zusammenarbeit mit dem in Deutschland nicht sehr bekannten aber international sehr renommierten britischen Flötisten Professor William Bennett. Gemeinsam mit dem im Flötenbau ebenfalls versierten Bennett schuf Tanaka die sogenannte "William-Bennett-scale", die eine absolut ausgewogene Intonation in allen drei Registern gewährleistet. Sämtliche Flöten stehen wahlweise in einer Grundstimmung von a = 440 Hz und a = 442 Hz zu Verfügung. Vom Modell 1207 an aufwärts bietet Altus auch eine Grundstimmung von a = 445 Hz an. Dies ist die Version, die von Berufs- flötisten in deutschen und österreichischen Sinfonieorchestern mit ihren zum Teil sehr hohen Stimmungen benötigt wird. Dem Allround-Flötisten sei aber aber eher die 442 Hz-Version empfohlen, da die 442 Hz-Stimmung hier- zulande in Musical-Orchestern, Big Bands und Unterhaltungsorchestern am häufigsten anzutreffen ist. Mit der 445 Hz-Version wird man beispielsweise bei Verwendung der internationalen Stimmung (440 Hz) Schwierigkeiten bekommen: wenn das Kopfstück zu weit ausgezogen wird, leidet die Stimmung "in sich" beträchtlich. Die 442 Hz-Version wird dagegen noch keine spürbaren Probleme bekommen.

Obwohl sämtliche zu Verfügung gestellte Instrumente im Grund eine identische Ausstattung besitzen, sind dennoch feine Unterschiede im äußeren Erscheinungsbild zu erkennen. Die Klappenarme der Flöten mit Silbermechanik (von Modell 1207 an) sind etwas schlanker und klarer konturiert, das Klappendesign bei der Gis-Klappe und beim  B-Triller- hebelchen
weicht von dem der preisgünstigeren Flöten ab. Ein Teil der E-Mechanik ist aus hohlem statt massivem Rohr, was ein winziges bißchen Gewicht spart. Die Säulchenschienen sind (beim 1207er Modell ein bißchen, beim 1607er Modell deutlich) angephast, die tiefe Cis-Klappe hat eine winzige  drei- eckige Verstärkung erhalten. Die Unterschiede zwischen den Silber- und den Neusilberklappen sind zum Teil sehr gering und nur für ein geübtes Auge erkennbar; auch die Neusilbermechaniken sind fein, ebenmäßig und mit größter Präzision hergestellt. Warum werden diese Unterschiede dann hier erwähnt? Weil der Kunde einer Querflöte im 10.000 DM - Bereich an solchen sichtbaren Zeichen ermessen kann, mit wie viel Gewissenhaftigkeit, handwerklicher Präzision und kompromißlosen Kampf um höchste Qualität auch in den Bereichen gearbeitet wird, die dem Auge verborgen bleiben.

Spieleigenschaften

Es versteht sich wohl von selbst, daß bei Instrumenten auf derart hohem flötenbaulichem Niveau keine konventionelle Beurteilung abgegeben werden kann. Vor allen im Bereich der Vollsilberflöten in der 10.000 DM-Klasse ist der Qualitätsstandard bei Altus (wie bei vielen anderen Spitzenfabrikaten) sehr, sehr hoch. Hervorragende Verarbeitung, Ansprache und Intonation sind in dieser Klasse selbverständlich. In dem Maße, in dem diese Instrumente über Kategorien wie "gut" und "schlecht" auf Grund ihres hohen Qualitätsstandes einfach erhaben sind, werden für den Spieler individuelle Vorlieben, Fähigkeiten und Probleme zu den Hauptkriterien für oder gegen eine Flöte. Daher sollen hier nur einige grundsätzliche
Aussagen gemacht werden.

Die Klappenmechanik sämtlicher hier zu beurteilenden Altus Querflöten läuft so traumhaft leicht, wie bei Flöten dieser Preiskategorien zu erwarten war. Teilzeitflötisten sei zu den Deckelklappenflöten geraten, die auch bei unpräziser Fingerhaltung unkopliziert sind. Flötenstudenten, ambitionierte Flötisten und Genießer werden sich eher für die Ringklappenausführung entscheiden: Man spürt die schwingende Luftsäule unter den Fingern, der Ringklappenflöte werden klangliche Vorteile gegenüber der Deckelklappen- flöte nachgesagt, und es ergeben sich eine Reihe von Hilfsgriffen zur Intonationskorrektur.  

Der größte spürbare Unterschied innerhalb der verschiedenen löten- modelle ist der zwischen der Neusilberflöte (Modell 807) und den höheren Modellen. Erwartungsgemäß klingt die Neusilberflöte heller und härter, was insbesondere in der dritten Oktave leicht zu einem grellen Klangbild führen kann. Desto weiter man dann in den Modellreihen nach oben geht, desto geringer spürbar werden die Unterschiede. Auffällig und allen Modellen ge-
meinsam ist der kräftige voluminöse Ton in der tiefen Lage, um den man bei so mancher anderen Flöte regelrecht kämpfen muß. Mancher Hersteller erzielt ähnliche Ergebnisse mit einem vergrößerten Mundloch. Hierdurch würde eine Flöte dann aber nur insgesamt lauter, was in der hohen Lage wiederum unerwünscht ist. Wie angenehm, daß die Altus Flöten hinsichtlich Lautstärke und Klangfarbe sehr ausgeglichen reagieren.

Von der Leichtigkeit der Ansprache gehört die Altus Flöte nicht zu den ultrabequemen. In diesem Punkt, der in großem Maß vom Design des Kopfstücks und hier wiederum von der Form des Mundlochs abhängt, muß der Flötenbauer immer einen Kompromiß schließen. Die Köpfe, die das zarteste Pianissimo in der hohen Lage ermöglichen, haben Probleme bei
einem kräftigen, ausdrucksvollen Ton. Die Köpfe, die das Gefühl vermitteln, fast von selbst zu spielen, sind klanglich oft wenig wandlungsfähig. Die Altus Köpfe richten sich eher an den ernsthaften Flötisten, der einen wandlungs- fähigen Ton zu schätzen weiß als an den, der es gerne so bequem wie möglich hat. Ansonsten hat auch das Material der Schallröhre Einfluß auf die Leichtigkeit der Ansprache: Der Silberkopf spricht spürbar leichter an als der versilberte, die Silberrohrflöte etwas leichter als die Silberkopfflöte das weichere Britannia Silber eine Spur leichter als das Sterling Silber. Auch die aufgelöteten Tonlochkamine haben einen Einfluß auf die Ansprache. Da die Unterschiede recht fein sind, muß wohl jeder Flötist selbst ausprobieren, wieviele der gebotenen Möglichkeiten er nutzen (und bezahlen) kann. In jedem Fall hat er es mit einem außergewöhnlichen Instrument zu tun.

                                                Klaus Dapper

 
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Erstveröffentlichung im Praxismagazin für Bands & Entertainer  " live - MUSIC - artist ".


 
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