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Testbericht von  Klaus Dapper ,   September 1996.
 
Neue Mundstücke von Vandoren

Die französische Firma Vandoren war seit der Firmengründung im Jahre 1905 eine der ersten Adressen für klassische Klarinettisten und Saxophonisten, wenn es um Mundstücke und Blätter ging. Erst seit etwa 10 Jahren hat man sich verstärkt bemüht, mit neuen Produkten die Jazz-, Rock- und Popmusiker für sich zu gewinnen.
Erstmals auf der Frankfurter Messe 1994 wurde ein neues Tenormundstück mit der Serienbezeichnung V 16 vorgestellt. Est stellt für Vandoren fast eine Revolution im Mundstückbau dar: Nach jahrzehntelanger Produktion von ausschließlich aus Kautschuk gemachten Mundstücken ist es das erste (und bislang einzige) von Vandoren in Serie hergestellte Metallmundstück. Es ist bislang nur für das Tenorsaxophon erhältlich, und wird in 5 verschiedenen Öffnungen angeboten. Sie beginnen mit 2,30 mm Bahnöffnung (T 45,ent- sprechend etwa Otto Link Nr. 6)  und enden mit  2,95 mm (T 95,  ent- sprechend etwa Otto Link Nr. 8*).

Das V 16 orientiert sich anscheinend wie viele Tenor-Metallmundstücke an der Mundstückserie von Otto Link. Bereits Äußerlich gibt es eine gewisse Ähnlichkeit; das Vandoren ist mit 10,55 cm allerdings gut 4 Milimeter länger. Es ist ein gefälliges Mundstück, ohne jede Rillen oder harte Kanten und von klassisch Einfachheit. Das Mundstück ist - ebenso wie das Otto Link - aus Bronze gearbeitet, im Gegensatz zu den sonst meistens verwendeten Messinglegierungen. Die Kammer ist mittelgroß und ungestuft, es hat lediglich eine sanfte Welle ca. 1o mm von der Mundstückspitze entfernt. Die Seitenwände der Kammer sind - anders als bei den bauchigen Link- Kammern - nahezu gerade. Der Übergang zu der runden Halsaufnahme ist weich und mit großer Sorgfalt gearbeitet. Die Oberfläche ist 24 Karat vergoldet, in den vorderen Teil ist eine 15 mm breite Bißplatte aus Kautschuk eingelassen.

Da auch bei dem Einsatz modernster Maschinen innerhalb einer Serie immer noch geringe Abweichungen untereinander unvermeidlich sind, hat man sich etwas einfallen lassen, was es bislang bei keinem anderen Hersteller gibt. Zu jedem Mundstück gibt es ein Meßprotokoll, das an 10 Stellen die Bahnöffnung und als 11. Wert die Bahnlänge erfaßt. Die Meß-
werte werden in einen Code aus zwei Ziffern und zwei Buchstaben gefaßt, der in den Mundstückhals eingraviert ist. Nach diesem Code ist es (z. B. bei Verlust) möglich, auch ohne Vorlage des Originalmundstücks bei Vandoren eine absolut perfekte Kopie seines Mundstücks anfertigen zu lassen.

Zur Begutachtung wurden uns vier V 16-Mundstücke mit derselben Öffnung T 77, aber mit unterschiedlichem Spezial-Code zu Verfügung gestellt. Die eigentlich angeforderten T 75 Mundstücke waren über Monate nicht  liefer- bar; anscheinend hält die Produktion nicht Schritt mit der Nachfrage.  Die Test-Mundstücke  hatten die Code-Bezeichnungen 22AC, 47AD, 63AD und 68AD. Die Bahnöffnung an der Spitze reichte von 276,6 bis 277,5, ge-
messen in hundertstel Milimeter. Mit der Bahnlänge bezeichnet man den Abstand von der Mundstückspitze bis zum Beginn der Krümmung. Diese differiert zwischen 28.2 und 30 mm. Der Spieltest ergab auch tatsächlich spürbare und hörbare Unterschiede zwischen
den einzelnen Mundstücken, wenn auch die Unterschiede geringer zu sein schienen, als man dies von manchen anderen Mundstückherstellern gewohnt ist. Die Öffnung entspricht etwa dem Otto Link Nr. 8.

Die Augenschein-Prüfung ließ wegen der ähnlichen Kammerform des Mundstücks vermuten, daß Spielverhalten und Klang dem des  ent- sprechenden Link-Mundstücks sehr nahe kommt. Überraschenderweise produziert es eine deutlich brillianteren Klang und wesentlich mehr
Lautstärke bei gleichem Kraftaufwand. Der Klang war über den gesamten Bereich bis in das Flageolett-Register sehr ausgeglichen, das  Ansprache- verhalten ähnlich gutmütig wie bei dem amerikanischen Vorbild. Hinsichtlich der Intonation ergaben sich keine Auffälligkeiten.

In Europa ist dieses Mundstück noch eher ein Geheimtip. Hersteller und Vertrieb haben auch bislang nichts unternommen, um dies zu ändern: Es gibt keinerlei Werbung für dieses Produkt. Aber allmählich scheint es sich in Saxophonistenkreisen herumzusprechen, daß Vandoren ein  außerodent- lich neues Mundstück herstellt. Bob Malach, Saxophonist bei Stevie Wonder, spielt es seit einiger Zeit, Tony Lakatos von der HR-Bigband, im Bochumer Starlight-Orchestergraben kursiert es. Das größte Kaufhindernis dürfte derzeit nur sein, daß es sehr schwierig ist, einen Fachhändler zu finden, der mehrere Mundstücke zum Vergleich vorrätig hat, denn bereits der Großhändler wird vom Hersteller nicht ausreichen beliefert.

Das Mundstück kommt in einem Karton zusammen mit einem individuellen Meßprotokoll und einem Transport-Säckchen, das es im Kofferfach vor der harten Berührung mit anderen Gegenständen schützt. Als Zubehör gibt es eine Blatthalterung aus Textilband (ähnlich Rovner) mit einer stabilen (anders als Rovner) Plastikkappe.

Der unverbindliche Verkaufspreis liegt (komplett mit Schraube und Kappe) bei DM 604,-

                                          Klaus Dapper

 
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Erstveröffentlichung im Praxismagazin für Bands & Entertainer  " live - MUSIC - artist ".


 
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