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Yellowjackets in Oberhausen       von  Klaus Dapper, Dezember.1996
 

 
Seit einigen Wochen gibt es einen neuen Jazzclub im Revier: den Ronnie Scott's Club im neuen "Centro" in Oberhausen. Am 12. 9. sollte das Eröffnungskonzert mit der cubanischen Band "Los Van Van" sein. Gäste, die  sich - ebenso wie der Autor - an dem Abend dort eingefunden hatten, wurden enttäuscht. Anstelle des Clubs fanden sie eine Baustelle vor. Kein Schild oder Hinweis wies darauf hin, ob und wann die Eröffnung bzw.
das Konzert nachgeholt werden würde, ja ob man überhaupt an der richtigen Stelle des etwas unübersichtlichen Geländes war. Ein Mitarbeiter eines benachbarten Gastronomiebetriebs war dann so freundlich, den vergeblich Angereisten zu sagen, die Stelle sei schon richtig, aber der Club sei nicht rechtzeitig fertiggeworden.

Drei Wochen später war es dann endlich soweit: Ronnie Scott's eröffnete. Und am 19.10. spielten bei Ronnie's die Yellowjackets, die in Deutschland nicht allzu oft zu hören sind. Dies war die Gelegenheit, sich den neuen Club und die Band anzusehen. Das Schild "Cabaret" am Eingang sollte den Jazzfreund nicht irritieren: wer Nepp und Rotlicht erwartet, ist hier völlig falsch.

 Man geht die Treppe rauf und steht zunächst in der "Bar Cubana", in der man lateinamerikanisch trinken, essen und tanzen kann. Richtige Gemütlichkeit will allerdings nicht so recht aufkommen: die Bar ist zur Treppe hin offen (fröstel) und dient gleichzeitig als Durchgang zu zwei weiteren Etablissements, was eine gewisse Unruhe schafft. Am linken
Kopfende der Bar ist der Eingang zum "Ronnie Scott's", am rechten zum "Comedy Store", in dem Witzemacher und Possenreißer mehrmals wöchentlich ihr live-Programm bieten. Werbetext: "Deutschland ist reif für englischen Humor".

 Der Scott's Club selbst ist eine angenehme Überraschung. Decke und Wände sind in dem üblichen Jazzclub-Schwarz gehalten, so daß die Begrenzung des Raums erst auf den zweiten Blick sichtbar wird. Wahrscheinlich aus akustischen Gründen sind die schwarzen Steinwände größtenteils mit schwarzem bodenlangen Samt zugehängt. Dies schafft eine gewisse Wärme und läßt kein Bunker-feeling entstehen, das manchen Jazz-Clubs eigen ist. Der Raum ist mit runden Tischen gefüllt, an denen jeweils 4 - 6 Leute Platz haben. Dies ist hierzulande ein auffälliger Luxus, denn gewöhnlich haben die Jazzclubs mehr Steh- als Sitzplätze. Wer nicht früh kommt, steht dichtgedrängt, sieht kaum etwas, die Luft ist verqualmt und zum Schneiden dick. Anders bei Ronnie Scott's. Auch in der letzten Ecke gibt es noch gute Sicht auf die erhöhte Bühne. Die Lautsprecher der  Haus- anlage, die von den Bands benutzt wird, wurde an die Decke gehängt und versperrt ebenfall niemandem die Sicht. Stehplätze wurden an diesem Abend nicht in Anspruch genommen. Es ist klar, daß dieser Komfort mit höheren Eintrittspreisen bezahlt werden muß, als man sie von anderen Jazzclubs kennt.

Die Jackets spielten in folgender Besetzung: Russel Ferrante, keyboards; Bob Mintzer, Tenorsax, Sopransax, EWI (electronic wind instrument); Jimmy Haslip, bass und William Kennedy drums. Seit ihrer Gründung 1980 hat die Gruppe 11 Alben herausgebracht, von denen 2 mit einem Grammy belohnt wurden. Dies waren 1986 "Shades" als beste Rhythm & Blues  Instrumental- produktion und 1988 "Politics" als bestes Jazz Fusion Album. 8 (!) weitere Alben wurden für einen Grammy vorgeschlagen. Während Russel Ferrante und Jimmy Haslip Gründungsmitglieder sind, folgte William Kennedy 1986 auf Ricky Lawson. Der Tenorist Bob Mintzer, nebenbei einer der  inter- essantesten Big-Band-Arrangeure, folgte 1990 auf den Altsaxophonisten Marc Russo, der wiederum in den frühen 80ern die Nachfolge des Gitarristen Robben Ford antrat.

Ein live-Konzert dieser sehr beschäftigten Band ist ein einmaliges Erlebnis. Die vier hochkarätigen Jazzmusiker verfügen über eine große stilistische Bandbreite von Hard Bop bis Funk und Rhythm and Blues. Selbst Anklänge an irische Folk-Music fügen sich in ein so offenes Konzept glatt ein, wenn eine mit atemberaubender Geschwindigkeit von Keyboard und  Blas- instrument vorgestellte Tin-Whistle-Melodie wie selbverständlich in eine Bop-Improvisation mündet. Insgesamt ist das Konzept der Band allerdings jazziger geworden, als man sie von den ersten Alben kennt. Zu dem überragenden musikalischem Format aller vier Musiker paßt der sehr transparente Sound dieses Konzerts. Vielleicht abgesehen von Jimmy Haslips Sechssaiter, der hinten im Raum etwas schwammig klang. Wohltuend und faszinierend, wie leise und durchsichtig der Drummer spielen kann ohne an Intensität zu verlieren.

Für deutsche Konzertbesucher etwas ungewöhnlich ist die Unbefangenheit, mit der am Schluß des Konzerts auf einen von den Jackets betriebenen regelrechten "Kaufladen" hingewiesen wird. Es wurden Bestellscheine verteilt, mit denen man über Fax oder Compuserve eine ganze Reihe von didaktischen Büchern, Etüden, und Songbooks bestellen kann, die von den Bandmitgliedern herausgegeben werden. Dazu gibt es das Real Book, alle verfügbaren CD's der Jackets, T-Shirts, Mützen usw.

Es ist Ronnie Scott's zu wünschen, daß das Programm so gut bleibt wie es derzeit ist und die Akzeptanz beim Publikum dauerhaft bleibt.

                                          Klaus Dapper

 
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Erstveröffentlichung im Praxismagazin für Bands & Entertainer  " live - MUSIC - artist ".


 
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