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Saxophonbau in Tschechien von  Klaus Dapper:
 
das Saxophon  ,  Teil 4 / Oktober .1997
 
Die bedeutendste Stadt für den tschechischen Instrumentenbau ist das böhmische Graslitz (tschechisch: Kraslice). Daß die Stadt fast immer in einem Atemzug mit dem deutschen Instrumentenbau genannt wird, liegt einerseits an ihrer Lage, andererseits an der wechselvollen Geschichte der deutschsprachigen Gebiete Böhmens. Hierüber sollen zum besseren Verständnis ein paar Worte verloren werden.

Graslitz liegt im südwestlichen Erzgebirge, unmittelbar an der Grenze zu Sachsen. Von Klingental, einem sächsischen Zentrum des Instrumentenbaus, konnte man über eine etwa 10 km lange Straße zu Fuß nach  Graslitz gehen. Zwischen Graslitz und dem Raum Klingental bestanden engste wirtschaftliche Beziehungen. Ein großer Teil der Bewohner von Graslitz war deutsch oder deutschstämmig.

Von 1526 bis 1918 war Böhmen (und damit Graslitz) mit Österreich und Ungarn vereinigt. In  Böhmen gab es seit Jahrhunderten einen tschechischsprachigen und einen deutschsprachigen Bevölkerungsteil, zwischen denen es - vor allem seit dem letzen Jahrhundert - immer wieder Spannungen gab. 1918 wurde eine selbständige Tschechoslowakei gegründet, und Böhmen wurde ein Teil dieses Staates. Als vertragliche Verpflichtungen zum Schutz der Minderheiten gegenüber dem deutschen Bevölkerungsanteil nicht eingehalten wurden, nahm Hitler dies zum Anlaß, den Anschluß „Sudetendeutschlands" an das deutsche Reich zu fordern. Aus Sorge vor einem Kriegsausbruch wurde der Tschechoslowakei 1938 von der internationalen Staatengemeinschaft durch das "Münchener Abkommen" auferlegt, die deutschbesiedelten Randgebiete  Böhmens an das Deutsche Reich abzutreten. So wurde Graslitz deutsch. Nach dem Kriegsende 1945 und nach Aufhebung des Münchener Abkommens wurde Graslitz wieder tschechisch.

 Der Saxophonbau im damals österreichischen Graslitz begann im Jahre 1900 durch die Firma V.Kohlert und Söhne, ein Jahr bevor das erste deutsche Saxophon gebaut wurde. Kohlert baute die gesamte Saxophon- familie von Sopranino bis Kontrabaß-Saxophon (!). Die Kohlert - Instrument hatten einen sehr  guten Ruf; sie wurden insgesamt 23 Mal auf nter- nationalen Messen und Ausstellungen mit Preisen ausgezeichnet. 1945 erfolgten die Enteigung und die zwangsweise Überführung in das  tschechische Firmenkombinat Amati.

1947 wurde in Winnenden in Württemberg von der alten Geschäftsleitung und vielen ehemaligen Graslitzer Mitarbeitern ein Neubeginn („Kohlert & CO"I) gewagt. Es wurden auch wieder Saxophone gebaut, aber ein Anknüpfen an die alten Erfolge gelang nicht - im Gegensatz zur Firma J. Keilwerth, die eine ähnliches Schicksal nach Westdeutschland geführt hatte. 1977 wurde bei Kohlert der Saxophonbau eingestellt, 1983 wurde der klägliche Rest der Firma an Kreul und Moosmann  verkauft.

Ein weiterer bedeutender Saxophonhersteller in Graslitz war die Firma F X. Hüller und Co. die von 1920 bis 1945 Saxophone  herstellte.

Über den dritten großen Saxophonhersteller in Graslitz, die Firma Julius Keilwerth wurde bereits berichtet.

Die Produktion der Amati  Saxophone begann 1945 in dem ehemaligen Gebäude der Firma Julius Keilwerth mit dem  tschechischen Personal- stamm der Firmen Keilwerth, Hüller und Kohlert. Zunächst orientierte man sich an den Keilwerth Saxophonen. Die ersten Instrumente unter der neuen Firmenleitung trugen noch alte Modellbezeichnungen wie "Toneking", selbst der Trademark-Stempel „JKG" (für "Julius Keilwerth Graslitz") fand sich noch bis etwa 1955 auf diesen Instrumenten. Später löste man sich von dem historischen Vorbild und schuf gänzlich eigenständige Instrument. Lange Jahre waren  die Amati Saxophone unter dem Modellnamen „Classic" , später  „Classic Super", bekannt. Baugleiche Instrumente waren auch mit der Gravur „Musica Steyr" auf dem Markt. Sie wurden für den Österreichischen Vertrieb „Musica" gebaut und kamen von dort nach Deutschland.

Anfang der 90er Jahre wurde für die neueste Generation der Amati Saxophone ein anderes System für die Modellbezeichnungen eingeführt. Hierbei lehnte man sich eng an die Bezeichnungen des japanischen  Herstellers Yamaha mit seinen 20er, 30er und 60er Modellreihen an.

Es gibt derzeit zwei Sopranmodelle: das professionell ausgestattete ASS 62 mit einteiligem Rohr und das ASS 63. Letzteres hat einen abnehmbaren Hals in gerader sowie gebogener Form, ansonsten ist es baugleich. Beide Instrumente verfügen über modernstes Klappensystem und sind insofern den japanischen und französischen Spitzeninstrumenten sehr ähnlich. Sie sind  allerdings auch deutlich teurer als man es von Amati-Instrumenten gewohnt ist.

Altsaxophone gibt es in drei Ausführungen. Das AAS (Amati Alt Sax) 22 ist das Schülerinstrument, klarlackiert, vernickelte Klappen, ohne hoch fis-Klappe. Das AAS 32 ist die halbprofessionelle Ausführung in Goldlack mit hoch-Fis-Klappe. Das Spitzenmodell ist das AAS 62. Die Metallegierung ist hochwertiger, es hat eine Tief-B-Wippe, verstellbare Anschläge der Becherklappen und verstellbaren Daumenhaken, der Schallbecher ist abnehmbar.
Die entsprechenden Features gibt es auch bei den drei lieferbaren Tenorsaxophonen ATS22, 32 und 62.
Das Baritonsaxophon gibt es in zwei Ausführungen: das ABS 21ist klarlackiert, mit dem heute selten gewordenen Tonumfang bis tief-B. Wegen der geringen Nachfrage findet sich dieses Instrument nicht in der Preisliste des deutschen Vertriebs, kann aber auf Bestellung geliefert werden. Das ABS 31 reicht bis tief-A. Beide Modelle haben die etwas veralteten zweigeteilten Schallbecherklappen für tief-H  und -B und verzichten auf die Hoch-Fis-Klappe. Auch ist die obere Oktavklappe wie bei älteren Instrumenten immer noch am S-Bogen plaziert.

Einige Modelle gibt es mit vernickeltem Body (z.B. AAS32 N) oder versilbert (z.B.AAS22S).
In früheren Jahren kamen Amati Saxophone in großem Umfang durch privat Importe - oft auch  durch Schmuggelei - aus der Tschechoslowakei nach Deutschland. Infolgedessen wurden Amati Saxophone vom deutschen Handel gemieden, denn der Händler konnte mit den "Schwarzmarktpreisen" nicht konkurrieren. Diese Zeiten sind nun vorbei.
Heute lohnt es sich nicht mehr, Amati Saxophone im tschechischen Handel zu  erwerben, da sie dort kaum mehr billiger sind als im deutschen. Sobald sich dies herumgesprochen hat, wird man Amati Saxophone  mit ihrer sehr günstigen Relation zwischen Qualität und Preis sicher häufiger im deutschen  Handel antreffen.

Nach Auskunft des deutschen Vertriebs werden Amati Saxophone ab sofort mit den hochwertigen italienischen Pisoni-Polstern ausgestattet. Es gelten folgende unverbindliche Preisempfehlungen für die Altsaxophone, komplett mit Etui und zwei Mundstücken: AAS 22; DM 1.635,-   AAS 32; 1.725,-   AAS 62; DM 1998,-.
 

Nachtrag:
Rampone & Cazzani, Italien

Nach neuen Informationen wurde die Firma Rampone und Cazzani nach der Einstellung des Betriebs im Jahre 1978 im Jahre 1990 von einem ehemaligen Mitarbeiter übernommen und „wiederbelebt". Die Firma ist heute auf Saxophone spezialisiert, die in 100%iger Handarbeit gebaut werden. Rampone & Cazzani baut heute wieder alle Baugrößen von Sopran bis Bariton. Interessant sind zwei ungewöhnliche Sopransaxophone: das gebogenes Modell in Altsax-Form ist weltweit das einzige in  gebogener Bauform, bei dem die   Schallbecherklappen genauso angeordnet sind wie bei modernen Altsaxophonen. Daneben gibt es ein Sopran in halb gebogener Form, das von dem Hersteller „Saxello" genannt wird. Auch diese Form ist auf der Welt einmalig. Ähnlich dem „straight alto" von Keilwerth hat das Rampone Saxello eine leicht nach vorne gebogenen Schalltrichter.

 
  1. Topmodell von Amati:
      AAS 62 und ATS 62

  2. Amati Bariton-Saxophon
      ABS 31

  3. Schülermodell aus
      tschechischer Fertigung:
     Amati AAS 22

  4. Gebogenes Sopran von
      Rampone & Cazzani

  5. Halb gebogenes Sopran
      von Rampone & Cazzani
 
 
 
 
 
 
 
 


 
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Erstveröffentlichung im Praxismagazin für Bands & Entertainer  " live - MUSIC - artist ".


 
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