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Testbericht von  Klaus Dapper

Yamaha YFL 373 , 511 und 671 :  Für Profis  / August.1998
 
Anfang der sechziger Jahre kam Yamaha mit preisgünstigen Schülerquerflöten auf den deutschen Markt. Innerhalb kurzer Zeit gelang es Yamaha, in diesem Marktsegment eine beinahe führende Position zu  erkämpfen und die italienischen (Grassi) und deutschen Hersteller von Schülerflöten (Mönnig, Uebel, Schreiber, Kohlert,R-Keilwerth) weit hinter sich zu lassen. Um das Jahr 1975 kamen vielbeachtete  handgearbeitete Spitzeninstrumente dazu. Soweit zu erfahren ist, war es ein ehemaliger Flötenbaumeister der angesehenen Firma Sankyo, der bei Yamaha für die  Herstellung der ersten Solisteninstrumente verantwortlich war. Mittlerweile hat Yamaha in allen Preis- und Qualitätsklassen eine starke Position im deutschen wie internationalen Markt erreicht.

Zur Kennzeichnung der verschiedenen Baureihen verwendet Yamaha einen aus Buchstaben und drei Ziffern bestehenden Code. YFL heißt Yamaha Flöte. Von den drei Ziffern bedeutet die erste die Qualitätsstufe; es gibt 200er bis 900er Modelle. Die bekanntesten  sind die Schülerflöten mit den niedrigeren  Ziffern: Die 200er Reihe ist „nur" versilbert, die 300er hat einen Silberkopf, die 400er eine Schallröhre aus massiven Silber. Nun gibt es einen Knick in dem Zahlencode: die nächste  Preisstufe enthält die Modelle 313, 373 und 383 (im Folgenden Serie303genannt), es sind wiederum Silberkopf-Flöten, allerdings eine höherwertige Serie. Dann geht es mit den 500er (Silberrohr) und 600er (Vollsilber) Modellen weiter. Schlie6lich folgen, auch preislich im "ewigen Eis", die handgearbeiteten Spitzenmodelle in Vollsilberausführung und mit Goldrohr.

An der Abweichung im Zahlencode ist zu erkennen, daß die 303-Flöten später, etwa im Jahre 1988 dazugekommen ist, während die anderen Baureihen schon wesentlich länger im Programm sind.

Die hier vorgestellten Flöten aus dem halbprofessionellen Bereich sind die Modelle 373, 511 und 671. Die zweite Ziffer "7" steht für Ringklappenausführung, die „1" bei der 511er steht für Deckelklappen.

Der Laie fragt sich vielleicht, warum er für die Silberkopfflöte YFL 373 etwa doppelt so tief in die Tasche greifen soll wie für die Baureihen 371 beziehungsweise 311, die ebenfalls über einen Silberkopf verfügen. Das selbe gilt für die Silberrohrflöten der Modellreihen 511 und 411.

Wenden wir uns zunächst der Silberkopfflöte YFL 373 zu. Sie lag in Ringklappenausführung vor, mit E-Mechanik und versetztem (offset-) G. Sie ist wie alle in Deutschland ausgelieferten Yamaha Querflöten für eine Stimmung von a=442 Hz ausgelegt. Dies ist ein guter Kompromiß. Sowohl die internationale 440 Hz-Stimmung als auch die hohen Stimmungen der deutschen Sinfonieorchester um 444 Hz ist erreichbar, ohne daß die Stimmung des Instruments in sich allzusehr leidet.

Ein bedeutender Unterschied zu den preisgünstigeren Schülerflöten ist auf den ersten Blick zu sehen. Anstelle der Standard-Mechanik trägt die 373 eine handgearbeitete Spitzdeckelmechanik.

Die Spitzdeckel, die man bei allen Klappen findet, die nicht selbst mit den Fingerspitzen berührt werden, sind eine Errungenschaft der französischen Flötenbauer ab 1855. Der Klappenarm in seiner traditionellen Form ist an der Verbindung zum Klappendeckel Y-förmig, er geht auf Theobald Boehm zurück. Die Stelle, an der das Y an den Klappendeckel angelötet ist, ist die dünnste Stelle der Klappe, hier kann sich bei erheblicher Belastung schon einmal etwas verbiegen. Der Klappenarm bei der Spitzdeckelbauweise dagegen setzt sich schlank und gerade bis zur Mitte des Deckels fort.
Diese  Bauweise, die traditionell nur den Flöten der hohen Preisklassen vorbehalten sind, gilt als stabiler, die Gefahr des Verbiegens ist geringer. Damit verringert sich auch die Gefahr, daß ein ehemals gut deckendes Polster irgendwann einmal nicht mehr richtig schließt. Allerdings ist diese Bauweise spürbar arbeitsaufwendiger und teurer.

Bild: Die Ringklappen werden von dem Y-Arm, die Spitzdeckel von dem geraden Arm gehalten.

Aber auch das Rohr ist nicht dasselbe wie bei den Flöten aus dem Schülerbereich. Das Tonlochnetz unterscheidet sich ein wenig von den Schülerflöten. Es wurde für die handgemachten SpitzenfIöten entwickelt und dann herunter bis zur 303 übernommen. Die Schülerflöten (200er bis 400er Serien) verfügen noch über die alte Scala.

Schließlich gilt dasselbe für das Kopfstück. Seit Mitte 1998 wurde der alte sogenannte CY-Kopf, der auf allen Yamaha-Flöten Standard war, durch einen neuentwickelten Kopf ersetzt. Bei den handgemachten SpitzenfIöten kann man zwischen zehn verschiedenen Kopfstücken, die sich in der Form des Konus und der Mundplatte unterscheiden, auswählen. Nachdem das neue CE-Kopfstück von den meisten Flötisten bevorzugt wurde, entschloß man sich, die Flöten ebenfalls bis hinunter zu den 303 Instrumenten  mit diesem neuen Kopfstück auszurüsten.

Schließlich gibt es einen letzten, nicht sichtbaren Qualitätsunterschied. Zwar werden sämtliche Yamaha Querflöten in einem Haus hergestellt, allerdings von anderen Leuten. Wie in jedem großen Betrieb gibt es bei der Flötenherstellung Azubis, angelernte Arbeiter, erfahrene Arbeiter, und Flötenbau-Meister. Bei den gehobenen Serien kann man mit größerer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, daß die Instrumente von hochqualifizierten Spitzenleuten hergestellt werden. Auch dies ist ein Faktor, der sich in Qualität und Preis bemerkbar macht.

Das Kopfstück, das zu allen drei Flöten gehört, ist aus Sterling-Silber. Es trägt direkt unter der Krone eine feine Gravur: „Silver 925 EC1".  Das Mundloch ist ein gerundetes Rechteck mit den Maßen 12,0 zu 10,0 mm. Die Anschrägung der Flanken ist gerade angedeutet. 
Die Rundung der Mundplatte hat auf der Höhe der Anblaskante einen leichten Knick, damit die über die Anblaskante strömende Luft freier abfließen kann. Diese Bauweise wird in der jüngsten Zeit von immer mehr Herstellern angewandt. Bei Yamaha Köpfen haben wir sie hier zum ersten Mal beobachtet.

Bild: Seitliche Ansicht der EC-Mundplatte. Die Rundung hat rechts einen leichten Knick,
        der das Abfließen des Luftstroms erleichtert.

Der Rohrdurchmesser ist geringfügig größer als bei den Schülerinstrumenten, daher läßt sich der Kopf auch nicht ohne weiteres auf eine 311er Flöte aufstecken. Die Anordnung der Mechanik der 373 unterscheidet sich auf den ersten Blick kaum, auf den zweiten Blick eigentlich in allen Details von der 311er Serie. Jedes Achsböckchen, jedes Griffteil und die Schienen, die die Mechanik tragen, sind unterschiedlich. Während die Mechanik der Schülerflöte robust und stabil wirkt, sieht die 373er Mechanik feingliedriger und eleganter aus. Für die Nadelfedern wurde von der Serie 303 anstelle von Stahl Weißgold verwendet. Die Flöte verfügt über die üblichen fünf Einstellschrauben. Die Schraubfassungen sind geschlitzt, so daß sie bei festgerosteten Schrauben geweitet oder bei zu leicht beweglichen Schrauben verengt werden können.

Die YFL 511 ist das entsprechende Instrument mit Vollsilberrohr. Sie wurde uns als Deckelklappenflöte zu Verfügung gestellt. Teilzeitflötisten sei zu Deckelklappenflöten geraten, da sie auch bei unpräziser Fingerhaltung unkompliziert sind.

Das Modell YFL 671 schließlich ist eine Vollsilberflöte, bei der auch die Klappenmechanik komplett aus Sterling Silber gearbeitet ist. Dies hat zwar keinen Einfluß auf den Klang des Instruments. Es hat mehr mit Ansehnlichkeit und Lebensdauer des Instruments zu tun. Eine Versilberung wird durch den Handschweiß angegriffen und kann nach langjährigem Gebrauch aufplatzen und sich ablösen. Auch macht eine Silbermechanik, die nach langjährigem harten Einsatz möglicherweise etwas Achsspiel bekommt, weniger mechanische Geräusche als eine Mechanik aus der sonst verwendeten härteren Nickellegierung.

Die 671er Flöte kam alsYFL671H, also als Ringklappenausführung mit H-Fuß. Der H-Fuß, der unter Orchesterflötisten bereits allgemein üblich ist erweitert den Tonumfang einen Halbton nach unten. Fast noch wichtiger ist, daß  die tiefe H-Klappe ein besser stimmendes  und sicher stehendes C4 ermöglicht.

Bild: Die Griffteile am H-Fuß der YFL671 H. Der Hebel der H-Klappe ist mit einem
        "Gizmo"   genannten Extra-Hebelchen ausgerüstet.

Verarbeitung
 
In den Qualitätsklassen, in denen die drei Flöten angesiedelt sind, ist hervorragende Verarbeitung, eigentlich bereits  selbstverständlich.

Die Erwartung wurde auch weitestgehend bestätigt. Schallröhre und Klappenmechanik waren tadellos gearbeitet, die Mechanik lief bei allen drei Instrumenten phantastisch leicht, kein Spiel, kein toter Gang, alle Polster deckten perfekt. Einziger Ausreißer: ausgerechnet bei der teuersten der drei Flöten berührt die Gis-Klappe beim Öffnen die Trillerklappenachse.
Unverständlich ist, daß dies bei der Endkontrolle übersehen wurde, zumal der gleichmäßig hohe Qualitätsstandard selbst bei Yamaha Schülerflöten sprichwörtlich ist. Zumindest kann der Fehler vom Yamaha Service leicht behoben werden.

Bild: Bei einer der Flöten kommt die Gis-Klappe der Trillerklappe sehr nahe

Spieleigenschaften

Um die 442 Hz-Stimmung zu erreichen, muß das Kopfstück etwa 5 mm ausgezogen werden; ist das Kopsttück ganz eingeschoben, erreicht man 445 Hz oder etwas darüber. Dies wird sicher in allen Lebenslagen reichen. Die Oktaveinheit und Stimmung über drei Oktaven  erweist sich als sehr ausgeglichen. Die Problemtöne Cis 2, Cis 3 und E3 (meistens zu hoch) intonieren recht gut. A3 und B3 (meistens zu tief) bleiben im Rahmen.

Von der Leichtigkeit der Ansprache gehören die drei Flöten nicht zu den ultrabequemen. In diesem Punkt, der in großem Maße vom Design des Kopfstücks und hier wiederum von der Form  des Mundlochs abhängt, muß der Flötenbauer immer einen Kompromiß schließen. Die Köpfe, die das zarteste Pianissimo in der hohen Lage ermöglichen, haben Probleme bei einem kräftigen, ausdrucksvollen Ton. Die Köpfe, die das Gefühl vermitteln, fast von selbst zu  spielen, sind klanglich oft wenig wandlungsfähig. Die EC1-Köpfe richten sich eher an  den emsthaften Flötisten, der einen wandlungsfähigen Ton zu schätzen weiß, als an den, der es gern so bequem hat wie möglich. Nach kurzer Eingewöhnung gelang es mir, in der tiefen Lage ein kernigen, fetten Ton zu erzielen. Allerdings muß man auch etwas dafür tun, sonst klingt die Tiefe schnell wieder harmlos. Ebenso ging es mit pianissimo-Spiel in der höchsten Lage. Es macht Spaß, zu erleben, was man aus diesem Kopf alles herausholen kann. Wenn man aber mit schlampigem oder ermüdetem Ansatz spielt, kann auch einiges  daneben gehen. Es gibt Köpfe, die sich in solchen Situationen gutmütiger verhalten.

Bild: Die Mundplatte des neuen EC Kopfstücks.

Die drei Testinstrumente ließen sich gut vergleichen, da sie prinzipiell über dasselbe Kopfstück verfügen. Dadurch daß zwei Flöten als Ringklappenmodelle und eine als Deckelklappenmodell zur Verfügung standen, ergab sich auch ein etwas unterschiedliches Verhalten. Erwartungsgemäß spürt man bei der Silberkopfflöte YFL 373 etwas mehr Blaswiderstand als bei den beiden Flöten mit Silberrohr. Was den Klang betrifft, ist sie etwas lauter und kerniger. Pianissimo-Passagen in der höchsten Lage gingen nicht ganz so leicht wie bei den anderen beiden Flöten.

 Die YFL 511 geht etwas leichter los, sie klingt ein wenig seidiger und weniger direkt.

Die 671 H dürfte die bevorzugte Wahl für Genießer sein. Bei der Ringklappenflöte spürt man, genau wie ein Klarinettist, die schwingende Luftsäule unter den Fingern. Bei gleicher Ansprache hat der Ton vielleicht etwas mehr Glanz als der der Deckelklappenflöte.  Außerdem sind eine Reihe von Hilfsgriffen zur Intonationskorrektur möglich.

Gute Noten waren allein schon aus der Tatsache zu erwarten, daß die drei Flöten Modelle sind, die von dem Spitzenmodell aus der 13.000DM-Klasse herunterentwickelt worden sind, während ein Teil der anderen HersteIler vom Schülerinstrument durch Verwendung edler Metalle „heraufentwickeln". Bei Flöten dieser Qualitätsklasse geht es nicht mehr um „gut" oder "schlecht", denn wirklich schlechte Instrumente gibt es in diesem Bereich beinahe nicht mehr. Je weiter man sich in der Preisskala nach oben bewegt, desto näher liegen die Instrumente der verschiedenen Hersteller qualitativ beieinander. Hier geht es vielmehr um individuelle Vorlieben, Probleme und Fähigkeiten der Spieler, die Argumente für oder gegen eine Flöte liefern. Es sei also wärmstens empfohlen, einen Fachhändler zu suchen, bei dem man die drei Modelle im direkten Vergleich anblasen kann, um herauszufinden, welche einem am besten  liegt.

Die unverbindlichen Preisempfehlungen der drei Instrumente lauten (Stand 8/98):

YFL373: DM 4.170,-

YFL5ll:  DM 5.680,-

YFL671H: DM 9.550,-  (ohne H-Fuß: DM8.990,-)

Interessant ist hierbei, daß in diesem Jahr die Serie303um rund 200,00 DM, die 5ooer Serie etwa 100,00 DM billiger geworden sind, während die meisten Flöten infolge der Erhöhung der Mehrwertsteuer geringfügig teurer geworden sind.

Klaus Dapper

 
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Erstveröffentlichung im Praxismagazin für Bands & Entertainer  " live - MUSIC - artist ".


 
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