Übersicht Testberichte                                                                                            Autor 
 
Testbericht von  Klaus Dapper
 
Altsaxophon Amati AAS 32:  Tadellose Verarbeitung

In früheren Jahren kamen Amati Saxophone in großem Umfang durch private Importe  -oft auch durch Schmuggelei-  aus der damaligen Tschechoslowakei nach Deutschland. Infolgedessen wurden Amati Saxophone vom deutschen Handel gemieden, denn der Fachhändler konnte mit den "Schwarzmarktpreisen" nicht konkurrieren. Diese Zeiten sind seit einigen Jahren vorbei. Heute lohnt es sich nicht mehr, Amati Saxophone im tschechischen Handel zu erwerben, da sie dort kaum mehr billiger sind als im deutschen. Richtig herumgesprochen  hat sich dieser Umstand noch nicht. Daher sind Amati Saxophone mit ihrer günstigen Relation zwischen Qualität und Preis noch nicht so häufig im deutschen Handel anzutreffen. Grund genug für live MUSIC artist, sich die Amati Saxophone der jüngsten Generation näher anzusehen.

Bild: Amati AAS 32-Saxophon: Die Klappen der linken Hand. A-, G- und Gis-Klappe liegen sehr eng beeinander.

Die tschechische Firma Amati (heute: Amati- Denak) in Kraslice (früher. Graslitz) wurde1945 gegründet. Nach den Wirren des zweiten Weltkriegs wurde in den ehemaligen Fabrikräumen der Firma Keilwerth mit dem tschechischen Personalstamm der Firmen Keilwerth, Hüller und Kohlert die Tradition des auf die Jahrhundertwende zurückgehenden Graslitzer Saxophonbaus weitergeführt. Zunächst orientierte man sich an den Keilwerth Saxophonen. Die ersten Saxophone unter der neuen Firmenleitung trugen noch alte Modellbezeichnungen wie „Toneking" selbst der Trademark-Stempel  "JKG" (für "Julius Keilwerth Graslitz") fand sich noch bis etwa 1955 auf diesen Instrumenten. Später löste man sich von dem historischen Vorbild und schuf gänzlich eigenständige Instrumente. Lange Jahre waren die Amati Saxophone unter dem Modellnamen "Classic", später "Classic Super" bekannt. Baugleiche Instrumente waren auch mit der Gravur "Musica  Steyr" auf dem Markt. Sie wurden für den österreichischen Vertrieb "Musica" gebaut und kamen von dort nach Deutschland.

1992 erfolgte die Privatisierung des ehemals staatlichen Betriebs. Neben dem Neuen Firmennamen "DENAK" (DECHOVE= Blas-, NASTROJE=lnstrument, KRASLICE) wurde der alte traditionsreiche Name "Amati" beibehalten. Zur gleichen Zeit wurde für die neuste Generation der Amati Saxophone ein neues System für die Modellbezeichnungen eingeführt. Hierbei lehnte man sich eng an die Bezeichnungen des japanischen Herstellers Yamaha mit seinen 20er, 30er und 60er Modellreihen an.

Amati Altsaxophone gibt es in drei Ausführungen. Das AAS (Amati Alt Sax) 22 ist das Schülerinstrument, klarlackiert, vemickelte Klappen, ohne hoch fis-Klappe. Das AAS 32 ist die halbprofessionelle Ausführung in Goldlack mit hoch-Fis-Klappe. Das Spitzenmodell ist das AAS62.

Das Testinstrument ist ein Altsaxophon mit der Modellbezeichnung AAS 32 II. Der Zusatz "II" ist intern, er ist weder im Prospekt noch auf dem Instrumente kenntlich gemacht. Er bedeutet "Serie II" und weist auf technische Verbesserungen seit den Anfängen der 32er Serie hin. Das Testinstrument hat die Serien-Nr.336369.

Ausstattung

Korpus und Klappen des Amati Saxophons sind in Goldlack gearbeitet, einem Finish, das bei allen Herstellern der gehobenen Qualitätsklasse vorbehalten ist. Das Saxophon verfügt  über eine Hoch-Fis-Klappe. Die Achsböckchen sind nicht auf Schienen vormontiert, sondern  einzeln auf den Konus aufgelötet. Der Schallbecher und das Knie sind abnehmbar, wodurch bestimmte Reparaturen gegebenenfalls wesentlich erleichtert werden. Die Fis-Gis-B-Koppelung ist mit zwei Einstellschrauben versehen, die Anschläge in den Körbchen der Becherklappen sind ebenfalls mit dem Schraubenzieher einstellbar. Eine weitere Einstellschraube, mit der man den Öffnungsgrad einstellen kann, befindet sich an der Gis-Klappe. Für die Klappenanschläge und Koppelungen verwendet man Naturkork, bei den Becherklappen und an vier weiteren Stellen roten Filz. Die Klappen für den linken kleinen Finger verfügen lediglich über Standard-Ausstattung: starrer Drücker für die tief-B-Klappe (die Tief-B Wippe ist dem Profi-Modell AAS 62 vorbehalten); keine H-Cis-Sperre. Ansonsten entspricht die Anordnung der Griffteile einem modernen Erscheinungsbild. Der  Schallbecher öffnet sich zu stattlichen 13,l cm und erinnert mit seiner ungewöhnlichen Größe an das Keilwerth-Styling.

Zum Vergleich: Selmer Altsaxophone und die vielen Kopien begnügen sich mit 12 cm.

 Sämtliche Fedem und Schrauben bestehen aus Blaustahl. Daumenauflage und Daumenhaken sind wie allgemein üblich aus schwarzem Kunststoff, der Daumenhaken ist seitlich verstellbar. Die jüngsten Modellreihen sind mit hochwertigen italienischen Polstern mit Metallreflektoren aus dem Hause Pisoni ausgestattet.

Bei der Schallbechergravur beschränkt man sich auf den den Schriftzug "Amati Kraslice" und  die Modellnummer "AAS 32" unter dem Firmensignet.

Verarbeitung

Die Schallröhre und die Tonlöcher sind tadellos verarbeitet. Dasselbe gilt für die Lackierung von Korpus und Klappen und alle sichtbaren Lötverbindungen. Der Facettenschliff an den Klappenarmen ist sorgfältig ausgeführt; es gibt keinerlei sichtbare Riefen, wie sonst ab und zu bei Instrumenten der niedrigeren Preisklasse zu beobachten ist.

Die gesamte Mechanik ist sehr stabil, was ziemlich wichtig ist bei Saxophonen, die häufig in Schülerhänden landen. Auch die langen Achsen sind gut geschützt und unterstützt. Man kann das Instrument beherzt in die Faust nehmen, ohne Gefahr zu laufen, etwas zu verbiegen. An zwei Stellen zeigten sich Schönheitsfehler. Achsen, die parallel verlaufen sollten, waren dies nicht in allen Fällen. Der eigentlich gerade verlaufenden Achse der G-Klappe war eine leichte Rundung aufgezwungen worden. Der Umlenkhebel der vorderen Hoch-F-Klappe zeigte eine leichte  Krümmung. Beeinträchtigungen der Funktion waren hiermit allerdings nicht verbunden.

In der gesamten Klappenmechanik konnte weder Spiel noch toter Gang festgestellt werden, bis auf eine, allerdings beinahe übliche Ausnahme: Die Oktavmechanik verschluckt einen Teil der Bewegung, bevor sie an die beiden Klappen weitergegeben wird. Hinsichtlich der Klappenöffnung fielen drei Klappen auf, die sich deutlich weniger öffnen ließen als der Rest: die G-Klappe, die Gis-Klappe und die tiefe Cis-Klappe.

Zum Aufspüren von Deckungsfehlern bei den Klappenpolstern wurde eine Prüflampe in der Schallröhre versenkt. In diesem Punkt hat der Hersteller tadellos gearbeitet. Es war nicht der kleinste Deckungsfehler zu finden. Großes Lob denn dies ist auch bei wesentlich teurerer Instrumenten keineswegs selbstverständlich!

Spieltest

Die Fingerfreundlichkeit der Mechanik kann man im großen Ganzen als durchschnittlich bis gut bezeichnen. In drei Punkten ist dieser  Eindruck getrübt:

1. Die Fingerspitzen von Zeigefinger, Mittelfinger und Ringfinger der rechten Hand (F-, E- und D-Klappe) stoßen beim Öffnen der Klappen sehr leicht gegen die direkt darüberliegenden  Schallbecherklappen. Andere Hersteller vermeiden diese Gefahr, indem sie den Schallbecher in einem anderen Winkel zum Hauptrohr anbringen.

2. Die Griffteile der A-, G- und Gis-Klappe  (Mittelfinger, Ringfinger und kleiner Finger links) liegen so nahe beieinander, daß Musiker mit großen Händen Schwierigkeiten bekommen können.

3. Ein Rutschen von der Cis zur B-Klappe ist wegen des Verzichts auf die Kippmechanik kaum möglich.

Beim Anblasen wurde zunächst das Zubehörmundstück verwendet. In Deutschland wer den die Amati-Saxophone mit Mundstücken der Firma Zinner ausgeliefert. Diese Mundstücke haben bei Saxophonisten einen guten Namen; beispielsweise wurden bis vor wenigen Jahren sämtliche Keilwerth-Saxophone serienmäßig mit Zinner Mundstücken ausgeliefert. Das Zubehörmundstück trägt keine Modellbezeichnung, die Bahnöffnung wird mit 5 angegeben. Daneben wurde zum Vergleich eine Klassik-Kombination verwendet: Ein Yamaha 4C mit einem Vandoren Blatt Nr.3.

Das Zubehörmundstück erwies sich, ausgerüstet mit einem 2 1/2er Rico Blatt, erwartungsgemäß als hervorragendes Allround- Mundstück.

Das AAS 32 ist kein Saxophon, das beinahe von selbst spielt. Von der Ansprache her ist es eher ein „hard blowing horn", vergleichbar bestimmten Instrumenten der französischen Firma Selmer. Solche Instrumente sprechen nicht übermäßig leicht an, lassen sich aber sehr kraftvoll spielen, ohne daß man leicht in den Grenzbereich kommt. Viele professionelle Musiker ziehen solche Eigenschaften der butterweichen Ansprache einiger japanischer Instrumente entschieden vor. Problematische Bereiche oder einzelne bockige Töne gibt es nicht. Über den gesamten Tonumfang bis in das Flageolettregister hinein ist die Ansprache ausgeglichen.

Zur Beurteilung der Intonation wurde das Instrument zunächst auf das international übliche a=440 Hz eingestimmt. Das Intonationsverhalten des AA32 stellte sich als gewöhnungsbedürftig heraus. Die tiefe Lage bis zum Registerwechsel intonieren ausgeglichen,abgesehen von den tiefen Tönen tief-H bis Esl, die etwas nach unten abdriften. Beim tiefen Cis leiden Klang und Intonation darunter, daß sich die Cis-Klappe nicht genügend öffnet. Dies ließe sich nachstellen, wodurch das Cis wieder etwas angehoben würde. Der tiefste Ton, das  tiefe B, ist wieder gut.

Das gesamte zweite Register driftet dagegen nach oben ab, so daß man in diesem Bereich mit weniger Lippendruck spielen muß als gewohnt. Am höchsten intonieren Cis3 und D3,darüber wird es wieder friedlich. Die zwei Oktavsprünge von Cis 1 nach Cis2 und weiter nach  Cis3 sind beide zu groß und schwer in den Griff zu kriegen.

Bei einem zweiten Durchgang in höherer Stimmung (a=443) konnte kein besseres Ergebnis erzielt werden.

Der Sound des Amati Altsaxophons gefiel uns wieder recht gut. Er ist rund, hat Kern , ohne hart zu klingen, und liegt näher am Selmer-Sound als an dem von Yamaha. Genau wie die Ansprache ist der Klang über das ganze Register recht ausgeglichen; A und Gis bekämen in beiden Registern noch etwas mehr Glanz, wenn sich die G- und die Gis-Klappe weiter öffnen ließe. Auch dies ließe sich durch Justierungsarbeiten durchaus korrigieren.

Zubehör

Das AAS32 kommt komplett mit Zinner-Mundstück, Durchziehwischer und einem schmalen Kunstfaser-Trageband mit Metallhaken. Es wir in einem nicht besonders üppigen aber zweckmäßigen Etui geliefert. Die Außenhaut besteht aus zwei Kunststoffschalen, die zwei abschließbaren Schlösser sitzen auf einem Aluminiumrahmen, der das Etui stabilisiert. Innen ist das Instrument in einem mit blauem Stoff überzogenen, genau nach den Formen des Instruments ausgearbeiteten Block aus PU-Schaum gut gebettet. Ebenfalls eingearbeitet in die Form wurde ein Zubehörfach. Auf separate Fächer für S-Bogen oder Mundstück wurde verzichtet.

Zu einem günstigen Preis bietet Amati ein Instrument in semiprofessioneller Ausstattung an. Zu seinen Stärken gehören die stabile und robuste Bauform, die sorgfältige Herstellung, und ein recht ansprechender Klang. Abstriche müssen bei der Intonation und an einigen  Punkten bei der fingertechnischen Bequemlichkeit gemacht werden.

Der Komplettpreis (unverbindliche Preisempfehlung) liegt bei DM 1.725,00 (Stand: Juli 98).

Klaus Dapper

 
Übersicht Testberichte
 

 
copyright  © 1998 by Klaus Dapper , Düsseldorf
 
Veröffentlichte Beiträge und Bilder sind urheberrechtlich geschützt .
Nachdruck, Vervielfältigung oder Übersetzung nur mit vorheriger Genehmigung des Autors.
All rights reserved. No part of this publication may be reproduced or transmitted in any form or by any means.

Erstveröffentlichung im Praxismagazin für Bands & Entertainer  " live - MUSIC - artist ".


 
copyright © layout , 1998 by mike duchstein , berlin