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Testbericht von  Klaus Dapper ,       Januar.1999
 
Rampone & Cazzani "Semicurvo" Sopransaxophon
 
Gegenstand dieses Berichts ist ein ungewöhnliches Sopran- saxophon des italienischen Her- stellers RAMPONE & CAZZANI aus Quarna. Das Ungewöhnliche ist eine Krümmung am oberen (zum Spieler hin) und unteren Ende (vom Spieler weg). Firmenintern wird diese Bauform als "Semicurvo" (oder englisch "half curved") bezeichnet. Diese Bauweise kennt lediglich ein Vorbild, das Ende der 20er Jahren in einer kleinen Stückzahl von der Firma Buescher gebaut wurde: das "tipped Soprano". Hierauf dürfte sich der Werbespruch des Prospekts beziehen: "from a old-fashioned experience a new creation". Die in den Schallbecher gravierte Modellbezeichnung lautet R 1.

Die Firmengeschichte läßt sich bis zum Jahr 1818 zurückverfolgen. Firmengründer Egidio Forni fusionierte Mitte letzten Jahrhunderts mit dem Handwerksbetrieb E. Rampone. Mit der Herstellung von Saxophonen begann man bereits um 1870. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erfolgte der Zusammenschluß mit der Mailänder Firma Cazzani. Rampone & Cazzani waren in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts sehr erfolgreich; man verfügte über 2 Produktionsstätten in Quarna und Mailand und beschäftigte bis zu 120 Mitarbeitern. 1957 ging die Firma in Konkurs. Unter einem neuen Inhaber wurde 1958 die Produktion wieder aufgenommen. Die Instrumente dieser Zeit, die mehr dem Niedrig-Preis-Segment zuzuordnen waren, konnten sich gegenüber der Fernost-Konkorrenz nicht lange behaupten. 1978 erfolgte abermals die Stillegung. 1990 übernahm ein früherer Mitarbeiter, Roberto Zolla, den immer noch voll eingerichteten Betrieb (!) mit der Zielrichtung, im Rahmen einer traditionell handwerklichen Fertigung qualitativ hochwertige Instrumente zu bauen. Die Firma ist heute auf den Saxophonbau spezialisiert und arbeitet auch an neuen Designs in Zusammenarbeit mit dem weltberühmten Designhersteller Alessi.

Rampone & Cazzani baut zwei Modellreihen von Saxophonen. Die preisgünstigere Reihe ist die Modellreihe "Super" (Sopran bis Bariton), die hochwertigere ist die Reihe R 1 (ebenfalls Sopran bis Bariton). Das semicurvo Sopran gibt es nur in der R 1 Ausführung. Das Testinstrument hat die Serien-Nr. 97934.

Ausstattung
 
Korpus und Klappen des Semicurvo Saxophons sind, wie alle Instrumente der R 1 Reihe, mit einer 24-karätigen Vergoldung versehen. Die satte Goldfarbe gibt dem Instrument ein wunderschönes und edles Erscheinungs- bild. Im direkten Vergleich mit dem Goldlackfinish anderer Instrumente springt einem dieses "Schmuckstück" sofort ins Auge. Die Vergoldung ist aber nicht nur etwas für's Auge. Sie ist auch der hochwertigste und, sofern
sorgfältig ausgeführt, der langlebigste Schutz gegen Korrision.

Die Achsböckchen für die Klappen in der mittleren Linie sind auf zwei Schienen vormontiert, eine dritte Schiene trägt die Achsböckchen für die Hoch- d/dis/f-Klappen. Der Rest ist einzeln auf den Konus aufgelötet. Auf der Rückseite der oberen Krümmung ist eine Verstärkung aufgelötet. Der Schallbecher ist nicht integrales Teil der Schallröhre: Das Schallstück, zu dem die untersten beiden Tonlöcher gehören, ist mit einer Lötverbindung
angesetzt. Wahrscheinlich wurde das Schallstück des Curvo-Modells (Sopransax in Altsaxform) verwendet. Auffällig sind die ungewöhnlich großen Tonlöcher und Klappendeckel am Schallstück.

Das Klappenwerk entspricht weitgehend dem neusten technischen Stand. Das Rampone & Cazzani Sopran verfügt über eine Hoch-Fis-Klappe, eine Cis-Mechanik (doppelte C-Klappe) und einen vorderen Hoch-F-Hebel. Einzig die mit der C-Klappe verbundene Klappenkoppelung ist nicht auf dem neusten Stand: Die Klappenkoppelung entspricht der alten bis zum
Selmer Mark 6 üblichen Sopran-Bauweise. Wegen der engen Platz- verhältnisse weicht die Klappenkoppelung der älteren Instrumente in einem Punkt von den Verhältnissen bei den anderen Baugrößen ab. Ein Fis-Dur Arpeggio (gebrochener Akkord) mit Liegenlassen des rechten Mittelfingers, welches bei allen größeren Saxophonen möglich ist, geht beim Semi-
curvo nicht.

Die Klappen für den linken kleinen Finger verfügen über den besten technischen Standard: Eine moderne Drückergruppe wie bei größeren Saxophonen und die berühmte Wippe für die tief-B-Klappe. Die langen Achsen sind durch eine Mittelstütze gut gegen Verbiegen geschützt. Die Nadelfedern sind aus Stahl, die Flachfedern aus Federbronze. Der Daumenhaken ist aus Metall und nicht verstellbar, die Daumenauflage für den linken Daumen ist eine flache Perlmuttscheibe in einer schwarzen Kunststoffassung. Die Klappen sind mit hochwertigen italienischen Polstern mit braunen Kunststoffreflektoren ausgestattet.

Die Fis-Gis-B-Koppelung ist mit zwei Einstellschrauben versehen. Weitere Einstellschrauben befinden sich an der Gis-Klappe, der tief-Cis Sperre, dem vorderen Hoch-f-Hebel. Zwei weitere Einstellschrauben sind für die Koppelung der Cis-Klappe an die H- und B-Klappe (linker Zeigefinger) angebracht. Für die Klappenanschläge und Koppelungen verwendet man
an fünf Stellen grünen Filz. An den übrigen Stellen fand sich etwas, was der Autor dieser Zeilen zunächst für Naturkork gehalten hat, was sich aber bei näherem Hinsehen als dem Kork sehr ähnlicher Kunststoff herausstellte. Ob der Halskork echter Kork oder Kunststoff ist, ist dem Tester auch trotz eingehender Betrachtung nicht klar geworden.

Unbedingt erwähnt werden muß noch die ungewöhnlich aufwendige und sehr geschmackvolle Gravur. Auf dem Schallstück findet sich der Schriftzug "Rampone & Cazzani, Quarna Italy, R 1". Darum ranken sich Blüten und Blattwerk, das sich vorne bis zu den ersten mittleren Klappen erstreckt, auf der Rückseite die gesamte glatte Fläche bis hinauf zum linken Daumen bedeckt. Auch die Gravur, bei anderen Saxophonen eher unauffälliges
Beiwerk, macht aus dem Semicurvo einen Blickfang.

Verarbeitung
 
Der erste Augeschein deutet auf tadellose Verarbeitung von Schallröhre und Klappenwerk hin. Dasselbe gilt für die Vergoldung von Korpus und Klappen und alle sichtbaren Lötverbindungen. Der Facettenschliff an den Klappen- armen ist sorgfältig ausgeführt; es gibt keinerlei sichtbare Riefen, wie sie sonst schon mal zu beobachten sind.

Die gesamte Mechanik ist sehr stabil. Auch die langen Achsen sind gut geschützt und unterstützt. Man kann das Instrument beherzt in die Faust nehmen, ohne in Gefahr zu laufen, etwas zu verbiegen.

In der gesamten Klappenmechanik konnte weder Spiel noch toten Gang festgestellt werden. Auch die Oktavmechanik gibt die Bewegung fast ohne Verlust an die beiden Klappen weiter. Allerdings hakt die Bewegungs- übertragung an zwei Stellen ein wenig, da der Kunststoffschlauch, mit dem einige Zapfen überzogen sind, nicht reibungslos gleitet, sondern eher "klebt". Betroffen sind die Hoch-fis-Klappe und die obere der beiden Oklavklappen. Durch die Verwendung von Teflon-Schlauch wärde dieses Übel vermieden worden.  

Zum Aufspüren von Deckungsfehlern bei den Klappenpolstern wurde eine Prüflampe in der Schallröhre versenkt. Hier mußte festgestellt werden, daß bei der Bepolsterung leider nicht mit der wünschenswerten Gründlichkeit gearbeitet wurde. Es waren sogar eine ganze Reihe von Deckungsfehlern zu sehen. Diese mußten zur weiteren Beurteilung des Instruments zunächst behoben werden. Im Rahmen dieser Reparatur gab es eine weitere
unangenehme Überraschung. Mehrere Tonlochränder waren nicht plan. Dies ist zwar keine Katastrophe; durch unterschiedliches Eindrücken oder Herausziehen der Polster kann dies bei der Neubepolsterung ausgeglichen werden. Aber es ist ein Zeichen für Nachlässigkeit bei der Herstellung der Schallröhre. Auch ist das Nachjustieren der heute mit Klebstoff befestigten Polster ist nicht mehr so leicht. Früher, als noch mit Siegel- oder Schellack
geklebt wurde, brauchte die Klappe nur heiß gemacht werden, um das Polster in seiner Klappe leicht zurechtrücken zu können. Heute ist dies nur noch eingeschränkt möglich. Ein Auswechseln der nicht deckenden Polster ist oft unvermeidbar. Vorher sollten allerdings mit einer Tonlochfeile die schiefen Tonlochränder plangearbeitet werden. Das Planarbeiten der Ränder, das bei der Herstellung eine Kleinigkeit gewesen wäre, ist nach Montage der Achsböckchen wegen der engen Anordnung beim Sopran zum Teil recht kniffelig. Außerdem wird hierbei ärgerlicherweise die schützende Vergoldung mit heruntergeschliffen. Da ein anderes Instrument nicht recht- zeitig beschafft werden konnte, wir aber auch keine umfangreiche Reparatur ausführen wollten, entschlossen wir uns, die Deckungsfehler nur provisorisch zu beheben.

Nach mehrstündiger Fummelarbeit (!) war das Instrument bereit für den weiteren Test.

Die Fingerfreundlichkeit der Mechanik kann man im großen Ganzen als gut bezeichnen. Das Instrument liegt gut in der Hand; auch der starre Daumen- haken ist angenehm geformt, so daß die fehlende Verstellbarkeit nicht ins Gewicht fällt. Zu einer sehr guten Beurteilung müßten noch ein paar Details verbessert werden: Die Griffteile für den rechten kleinen Finger (Es/C-Klappen) liegen zu tief und in einem ungünstigen Winkel. Außerdem sind die Fingermulden in den Perlmuttknöpfen ungewöhnlich tief. Hierdurch wirken die Außenränder kantiger als die anderer Modelle. Weiter wurde die Federspannung an einigen Teilen des Klappenwerks, besonders im Bereich der doppelten Cis-Klappe, als zu groß empfunden. Durch die mechanisch bedingte Klappenkoppelung addiert sich der Federdruck bei einigen Griffen zu beachtlicher Größe. Schließlich ist das Griffteil der Hoch-d-Klappe in einem ungünstigen Winkel angebracht. Es zeigt weiter nach unten als bei vergleichbaren Instrumenten und ist der Daumenwurzel näher als dem Zeigefinger.

Spieltest
 
Beim Anblasen wurde zunächst das Zubehörmundstück verwendet. Es trägt die Aufschrift "Rampone & Cazzani" und die Bahnbezeichnung R4. Seine Kammer ähnelt der eines alten Selmermundstücks ("Soloist", das mit mit dem engen runden Hals). Die Bahnöffnung entspricht mit 135/1000 mm etwa einem modernen Selmer D. Es wurde mit einem Rico Blatt Stärke 3 bestückt. Die Stimmung wurde zunächst auf ein a von 440 Hz eingestellt.

Die Ansprache ist mit diesem Mundstück durchschnittlich. Im mittleren Bereich ließ es sich angenehm leicht spielen. Etwas bockig war das untere Register von e1 abwärts. Möglicherweise ist die Deckung der Polster immer noch nicht optimal. Einige der ganz hohen Töne haben die Tendenz zu "unterblasen", also um eine Oktav herunterzufallen.
Das hohe Fis war mit diesem Mundstück nur schwer herauszubekommen. Möglicherweise hat dies mit dem ungewöhnlich eng gebohrten oberen Oktavröhrchen zu tun. Es geschah mehrmals, daß es von einem Wasser- tröpfchen verschlossen wurde, wie man es von einigen winzigen Tonlöchern der Oboe kennt.

Der Sound kann als warm, eher leise, etwas indirekt bezeichnet werden; er unterscheidet sich insofern deutlich und angenehm von dem näselnden oder grellen Klang, den man oft von modernen Sopransaxophonen hört. Daß der Sopransound bei Instrumenten mit gebogenem Hals an "Kante" verliert, ist bereits vom allen zweiteiligen Instrumenten bekannt, die mit einem geraden und einem gebogenen Hals ausgestattet sind. Das Semicurvo bietet eine eigenständige und sehr interessanten Klangfarbe, die vor allem die Freunde der etwas sanfteren Töne zu schätzen wüßten.

Von der Stimmung her reagierte das Semicurvo unothodox. Das zweite Register war bemerkenswert ausgeglichen. Auffällig gut stimmte das sonst in der Regel zu hohe d2. Auch die übliche Tendenz nach oben, die beim Wechsel der Oktavklappen (a2 und darüber) auftritt war nicht zu bemerken. Unerwartet hoch dagegen waren c3 und cis 3 (trotz Cis-Mechanik); bei den ganz hohen Tönen wurde es dann wieder manierlich. Die Ergebnisse im unteren Register: auch hier waren c und cis etwas zu hoch, was mit den
Ergebnissen des zweiten Registers korrespondiert. Sehr ausgeglichen dagegen war die Stimmung bis herunter zum e1. Dann allerdings trat zutage, womit die hervorragenden Ergebnisse bei d2 erkauft worden waren: d1 war deutlich zu tief. Bei Cis, C und H wurde es noch tiefer, lediglich der tiefste Ton B war wieder o.k. Die Abweichungen waren zu groß, um sie mit den Lippen auszugleichen. Möglicherweise gibt es durch das Ansetzten des gekrümmten Schallstücks gegenüber dem geraden Modell intonations- abweichungen, die man noch nicht vollständig im Griff hat.

Der gleiche Test wurde zum Vergleich mit einem Selmer S 80 Mundstück, Bahn D, und demselben Blatt durchgeführt. Während bei den größeren Saxophon-Modellen Selmer Mundstücke fast ausschließlich von Klassikern verwendet werden, werden sie bei den heiklen Sopransaxophonen in allen stilistischen Bereichen oft als Allroundmundstück verwendet. Da dieses Mundstückmodell in der Praxis so häufig verwendet wird, muß sich auch
jedes Sopran daran messen lassen, wie es mit einem Selmer-Mundstück funktioniert.

Der Klang war heller, die Ansprache leichter. Die Anspracheproblem am oberen Ende des Tonumfangs waren so gut wie verschwunden, im unteren Bereich waren sie nach wie vor spürbar. Die Stimmung reagierte ähnlich. Die kurzen Töne c2 und cis2 stimmten besser, dafür waren die Ab- weichungen bei den langen Tönen eher noch größer.

Auch die Wiederholungen der Testreihen mit einer 443-Hz Stimmung konnte keine Verbesserung bringen. Wenn die Längenverhältnisse zwischen kurzen und langen Tönen bei 440 Hz bereits zu groß sind, können die Ab- weichungen bei Verkürzung der Rohrlänge nur noch größer werden.

Zubehör

Das Semicurvo kommt komplett mit Mundstück, einem gefütterten Trage- band mit Kunststoffhaken und einem schwarzen Pflegetuch. Es wird in einem speziell für dieses Instrument gebautem Etui geliefert, da es wegen seinen beiden Krümmungen in ein reguläres Sopranetui nicht hineinpaßt. Mit seinem edlen Aussehen paßt das Etui gut zu dem Instrument: Die schwarze Außenhaut mit angedeuteter Kroko-Struktur ist mit zwei weißen
Steppnähten versehen. An jeder Ecke ist als Kantenschutz ein stabiler Metallwinkel angebracht. Der Koffer hat drei Scharniere und zwei abschließbare Schlösser, zwischen denen sich ein handlicher Griff befindet. Alle Metallteile sind aus Messing bzw. messingfarben.
Auch innen ist der Koffer schwarz gehalten. Über genau nach dem Instrument geformten Schaumgummiblöcken ist ein samtähnlicher flauschiger schwarzer Stoff gespannt. Am oberen Ende gibt es ein kleines Extrafach für Mundstück und weiteres Zubehör. Apropos Zubehör: Es ist dem Autor kein Saxophonständer bekannt, der sich für das Semicurvo eignet.

Gesamtbewertung

Wer das exotische Semicurvo spielt, wird damit sicher auffallen, da es von einem solchen Instrument nur wenige Exemplare auf der Welt gibt. Pluspunkte gibt es für das wunderschöne Aussehen einschließlich Luxusgravur und Vergoldung und für den kultivierten und weichen Klang, durch den es sich von anderen Sopransaxophonen ein wenig unterscheidet.
Im großen Ganzen ist das Instrument sorgfältig hergestellt, leider gilt dies (zumindest bei dem Testinstrument) nicht für die Bearbeitung der Tonlöcher und für die Bepolsterung. Abstriche müssen leider auch bei Ansprache und Intonation in der tiefen Lage gemacht werden.

Der Komplettpreis (unverbindliche Preisempfehlung) liegt bei DM 4200,- (Stand: Januar 99).

                                                      Klaus Dapper

 
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Erstveröffentlichung im Praxismagazin für Bands & Entertainer  " live - MUSIC - artist ".


 
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