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Seit 1991 sind in Deutschland Saxophone unter dem Namen "Grand Prix" im Handel. Trotz des französischen Namens stammen sie aus Taiwan. Manche Vertriebe von Taiwan-Instrumenten liefern unter demselben Markennamen mal Instrumente von diesem, mal von jenem Hersteller, so
daß die Qualität ohne sichtbaren Anlaß schwanken kann. Andere Firmen - wie im Falle von "Grand Prix" - haben langfristige Handelsbeziehungen zu demselben Hersteller, wodurch über längere Zeit ein stabiler  Qualitäts- standard gewährleistet werden kann.

"Grand Prix" Saxophone werden in Taiwan in einem Betrieb mit etwa 20 Mitarbeitern hergestellt. Sie bieten überdurchschnittliche Qualität aufgrund einer Reihe von Details, die für den Laien nicht erkennbar sind. Die Klappen sind gesenkgeschmiedet, also keine Gußteile, es werden hochwertige
Polster der italienischen Firma Pisoni verwendet. Die Nadelfedern bezieht man von dem französischen Hertsteller Glotin. Ein weiterer nicht zu   unter- schätzender Pluspunkt liegt darin, daß der deutsche Vertrieb über eine Fachwerkstatt verfügt, in der die Instrumente vor der Auslieferung überprüft und eingestellt werden.

Das Testinstrument mit der Seriennr. W73542 gehört zu der 6000er Serie, die seit Anfang 1997 im Handel ist. Diese auch "Economy" genannte Serie ist preislich und von der Ausstattung her unterhalb der (gehobenen) 400er Serie angesiedelt und wendet sich an den hart umkämpften  Einsteiger- Markt.
 
Ausstattung

Optisch unterscheidet sich das "Grand Prix" Tenor kaum von Instrumenten der Profiklasse: Korpus und Klappen des Instruments sind in Goldlack ausgeführt, das Klappenwerk entspricht dem neuesten technischen Stand. Das Instrument verfügt über eine Hoch-fis-Klappe und eine Wippe an der tief-B-Klappe.

Achsböckchen sind einzeln auf die Schallröhre aufgelötet. Lediglich bei den höchsten Klappen für die linke Hand (hoch-d/dis/f) wurde der andere Weg gewählt: Die Achsböckchen wurden auf einem Messingstreifen vormontiert und als ganze Gruppe auf dem Rohr angebracht.

Das Klappenwerk des Grand Prix Saxophons entspricht, wie die meisten der in Taiwan hergestellten Saxophone bis auf wenige Modifikationen dem Selmer Modell "80 Super Action". Es hat dieselben Einstellmöglichkeiten wie das Vorbild: Die Fis-Gis-B-Koppelung ist mit zwei Einstellschrauben versehen. Weitere Einstellschrauben befinden sich an der Gis-Klappe, der Tief-Cis-Sperre, und an dem vorderen Hoch-F-Hebel. Schraubbare Anschläge befinden sich auch in den Körbchen der Becherklappen. Die Fis-Gis-B-Koppelung hat einen eigenen Arm.

Für die Klappenanschläge und -koppelung wurde Naturkork verwendet. Ausnahme: Bei den Klappenanschlägen in den Schutzkörbchen am Schallbecher verwendet man grünes Moosgummi. Die drei  Einstell- schrauben der Fis-Gis-B-Koppelung und der tief-Cis-Sperre sind mit schwarzen Kunststoff-Füßchen versehen.

Anstelle teurer Perlmuttknöpfe wurden perlmuttfarbene Kunststoffknöpfe verwendet. Sie zeigen zwar ein ähnlich Schillern wie echte Perlmuttknöpfe, aber die weiße Grundfarbe schließt eine Verwechselung aus. Die vordere Hoch-f-Klappe ist, ähnlich der Selmer Serie II, anstelle des runden Perlmuttknopfs mit einem tropfenförmigen, schräg stehenden Metallhebel versehen.

Die Griffteile der Klappen für den linken kleinen Finger entsprechen dem französischen Vorbild. Allerdings sind sie sind ein wenig größer geraten: Der Abstand zwischen der Gis- und der tiefen B-Klappe beträgt etwa 3 mm mehr als beim Selmer Tenor.

Die Flachfedern und Nadelfedern sind aus Blaustahl. Allerdings nicht normale, spitz zulaufende Nadeln, sondern mit stumpfen Enden, von der Drahtrolle. Daumenauflage und Daumenhaken sind aus schwarzem Kunststoff, der Haken ist seitlich verstellbar. Der Daumenhaken ist nicht genau am gewohnten Platz, sondern ein paar Milimeter weiter links (von der rechten Hand weg) angebracht.

Die Polster sind mit Metallreflektoren ausgestattet. Anscheinend sind die Polster imprägniert, da sie nach längerem Gebrauch beim Öffnen leise Schmatzgeräusche von sich geben.

Der Schallbecher trägt lediglich eine kleine, schmucklose Gravur: der Namenszug "Grand Prix", von einer Art Lorbeerkranz umrankt. Dieses Motiv ist ein Zitat der Selmer-Gravur, in der der Firmenname ebenfalls von einer Art Lorbeerkranz umgeben ist. Gravur ist eigentlich nicht die richtige Bezeichnung: laut Hersteller wird das Motiv nicht mechanisch graviert sondern elektrisch geätzt.

Bei der Beschreibung des Instruments ist bis jetzt so oft der Name "Selmer" gefallen, daß man an dieser Stelle betonen muß, daß es sich bei dem Grand Prix Tenor nicht um eine schlichte Kopie handelt. Wer Schieblehre und Maßband an das Instrument hält, stellt eine Reihe von eigenständigen Eigenschaften fest. So ist zum Beispiel der S-Bogen höher gebaut als bei den meisten Fabrikaten üblich, die Öffnung des Bogens an der Mundstück- seite ist etwas größer, die Steckverbindung zwischen Bogen und Hauptrohr ist großkalibriger, so daß Bögen anderer Hersteller nicht verwendet werden können. Ein Teil der Tonlöcher sind deutlich größer als bei anderen Fa-
brikaten. Mit 15,2 cm Durchmesser entspricht der Schallbecher etwa den Yamaha-Maßen, er ist damit etwa 3 mm kleiner als der Selmer Becher.
 
Verarbeitung

Die Schallröhre und die Tonlöcher sind tadellos verarbeitet. Wer ganz genau hinschaut, kann in der Nähe einiger Tonlöcher ganz leichte Wellen im Blech sehen, die vom Ziehen der Tonlöcher herrühren. Diese Wellen halten sich aber im Rahmen dessen, was man auch bei doppelt so teuren Hörnern beobachten kann.

Alle Lötstellen sind sauber ausgeführt, die Lackierung von Korpus und Klappen ist untadelig. Der Facettenschliff ist ordentlich ausgeführt.

Die gesamte Mechanik mach darüberhinaus einen robusten, stabilen Eindruck. Die Klappenarme sind im Vergleich zu anderen Fabrikaten auffällig breit; wo sie an kleinen Klappendeckeln angebracht sind, wirken sie fast wuchtig. Dies kommt eindeutig der Stabilität zugute. Man kann das
Grand Prix Tenor getrost in die Faust nehmen, ohne Angst zu haben, etwas zu verbiegen.

Die Mechanik ist gut eingepaßt: an keiner Stelle konnte Spiel oder toter Gang entdeckt werden, mit der üblichen Ausnahme: Die Oktavmechanik verschluckt einen kleinen Teil der Bewegung, bevor sie an die beiden Klappen weitergegeben wird. Aber auch dies ist im Rahmen dessen, was
man von wesentlich teureren Saxophonen gewohnt ist.

Die Klappenöffnung ist, besonders bei den Klappen der rechten Hand, relativ groß eingestellt, das heißt, die Finger müssen weite Wege machen. Dagegen läßt sich die seitliche B-Klappe des Testinstruments nur halb so weit öffnen. Während ersteres beabsichtigt ist (größe Klappenöffnung
fördert einen strahlenden Klang und hohe Lautstärke), ist zweiteres sicher unbeabsichtigt und müßte durch einen Fachmann nachgestellt werden.

Zum Aufspüren von Deckungsfehlern wurde eine Prüflampe in der Schallröhre versenkt. Auch in dieser Hinsicht wurde hervorragend gearbeitet, es war kein einziger Deckungsfehler zu finden!
Ein großes Lob, dies erlebt man nicht gerade oft.

Spieltest

Die Fingerfreundlichkeit der Mechanik kann im Allgemeinen als gut bis sehr gut bezeichnet werden. Die Klappenlage entspricht dem Selmer 80 S.A.; die fingerfreundlich gerundeten Kunststoffknöpfe sind angenehm zu greifen. Wegen der relativ weit offenstehenden Klappen müssen zumindest die Finger der rechten Hand etwas größere Wege machen. Außerdem erfordert die größere Entfernung zum Daumenhaken eine weitere Öffnung der rechten Hand. Ungünstig ist der große Abstand zwischen der G-Klappe und derTief-B-Klappe. Ringfinger und kleiner Finger links müssen sehr weit auseinander gespreizt werden. Saxophonisten mit kleinen Händen können Probleme bekommen, den tiefsten Ton ihres Instruments zu erreichen. Ein weiterer Kritikpunkt ist die Lage der hoch-d-Klappe. Sie ist in einem ungünstigen Winkel zur Hand angebracht: näher an der Daumenwurzel als an der Wurzel des Zeigefingers, mit dem sie gedrückt wird.

Dem Testinstrument selbst lag kein Mundstück bei. Zum Test wurden zwei Mundstücke verwendet: ein konservative Kombination, die in Klassik und verwandten Musikformen gut funktioniert (Meyer Kautschuk M6M) und ein Mundstück für Jazz bis Rock. (Vandoren Metall T 77).  

Die Leichtigkeit der Ansprache war durchschnittlich; auch in diesem Punkt erinnert das Grand Prix eher die Ansprache der Selmer Instrumente, deren Stärke eher im kraftvollen Spiel zur Geltung kommen als bei den extrem sanften Tönen. Über den gesamten regulären Tonunmfang gab es keine "bockigen Töne", auch die tiefsten Töne, die bei manchen Tenormodellen Schwierigkeiten machen, kamen ganz bequem.

Ausgesprochen bockig dagegen war der erste Ton des Flageolett- Registers: Das hohe G, gegriffen mit der vorderen Hoch-f-Klappe, macht erhebliche Probleme, da das entsprechende Tonloch recht groß dimen- sioniert ist. Die Vergrößerung der Tonlöcher ist seit vielen Jahren eine Tendenz im Saxophonbau, wobei viele Hersteller die Auswirkungen auf das Flageolett-Register leider nicht im Auge behalten. Zwar gewährleistet das groß dimensionierte Endloch für das (normal gegriffenen) hohe F einen strahlenden und voluminösen Klang. Für das hohe G, für das dieses Loch als eine Art Oktavloch fungiert, wirkt sich die Vergrößerung verhängnisvoll aus. Mit 16,5 mm Innendurchmesser ist das F-Loch des Grand Prix 1 mm größer als beim Selmer Modell 80 S.A., 2,7 mm größer als beim Yamaha YTS 32 bzw. 62, 3,2 mm größer als beim Selmer Mk 6. Die Flageolett- freudigkeit der beiden letzgenannten Modelle ist bekannt.

Bei einem preisgünstigen Instrument ist eher davon auszugehen, daß es in den Händen von Schülern und "Teilzeit-Saxophonisten" landet, für die der Flageolettbereich eine untergeordnete bis gar keine Rolle spielt. Somit soll das Flageolettproblem auch für diesen Test keine wichtige Rolle spielen.

Der Sound des Grand Prix ist kernig, strahlend und kraftvoll, dem Selmersound ähnlicher als dem Yamahasound. Die Klangfarbe und -fülle ist über den gesamten Tonumfang relativ gleichmäßig. Dies gilt - dank der groß bemessenen Tonlöcher - auch für die höchsten Töne des Normalbereichs, die bei anderen Modellen gelegentlich deutlich an Strahlkraft einbüßen. Das Grand Prix ist eher ein lautes Tenor; bei gleicher Spielweise erzielt man deutlich mehr Lautstärke als mit anderen Modellen.

Zur Beurteilung der Intonation wurde das Instrument zunächst auf das international übliche a = 44o Hz eingestimmt. Beim Durchchecken mithilfe eines Stimmgeräts sammelte das Grand Prix abermals Pluspunkte. Im gesamten unteren Register war die Stimmung recht ausgeglichen. Der
übliche Problemton d 1 war erwartungsgemäß etwas tief; die Abweichung war aber so gering, daß er sich mit einem Hilfsgriff (plus Cis-Klappe) oder dem Ansatz leicht korrigieren ließ. Der tiefste Ton, das tiefe B, war dagegen ein wenig hoch, aber auch im leicht korrigierbaren Bereich. Das zweite Register verhielt sich ebenfalls friedlich. Die meistens zu hohen Töne zwischen d2 und e2 waren unauffällig, auffälliges Abdriften nach oben konnte weder bei a2 noch bei den hohen Tönen (d3 und darüber) beobachtet werden.

Bei einem zweiten Durchgang mit a = 443 Hz gab es ebenfall keine größeren Probleme. Das Instrument scheint für 440-Hz-Stimmung ausgelegt zu sein, aber auch bei der hier oft anzutreffenden höheren Stimmung ist das Grand Prix ohne nennenswerte Probleme spielbar.

Zubehör

Zu dem Grand Prix Tenor Modell 6003 gehört ein passendes Etui; darüberhinaus wird es vom Importeur mit Zubehör von deutschen Herstellern ausgestattet: Das Serien-Mundstück ist ein ESM 6*, Gurt und Wischer sind von Kölbl. Die Mundstücke der Firme Ernst Schreiber, Michelstadt (ESM) haben einen hervorragenden Ruf. Auch die Firma Keilwerth rüstet ihre Instrumente ab Werk mit ESM Mundstücken aus.

Das mitgelieferte Zubehör-Etui ist nicht besonders üppig aber zweckmäßig ausgestattet. Das schwarze Etui wird an beiden Enden durch  rundum- laufende Alu-Profile stabilisiert. Es hat zwei verriegelbare, aber nicht mit Schlüssel abschließbare Schlösser und in der Mitte unter dem Griff
eine Führung. Es ist mit schwarzem Plüschstoff ausgefüttert. Das große Fach für das Instrument ist grob nach den Umrissen des Saxophons ausgeschnitten. Allerdings sitzt das Instrument fest in seinem Fach und kann nicht umherrutschen; insofern ist ausreichender Schutz gegeben.
Daneben gibt es ein großes Fach für S-Bogen, Mundstück und Kleinteile. Auf separater Fächer für Mundstück und Bogen wurde verzichtet. Man muß also durch Stoffbeutel, Handtücher etc. vorsorgen, daß die Teile während des Transports nicht im Fach umherfliegen und aneinanderschlagen.

Dem Instrument liegt ein Garantieschein des deutschen Vertriebs bei, in dem ein Techniker namentlich für den einwandfreien Zustand bürgt, und der dem Kunden eine 12-monatige Garantie (gesetzlich: 6 Monate) gewährt.

Zu einem Preis, der knapp 500,-DM unter dem preisgünstigsten japanischen Tenor liegt, bietet das Grand Prix ein Tenorsaxophon, das bis auf wenige Details auch professionellen Ansprüchen durchaus gerecht würde. Es ist solide gebaut, stimmt und klingt gut, spricht genauso leicht an
wie vergleichbar konzipierte Instrumente. Saxophonisten mit erwachsenen Händen haben es etwas leichter als Saxophonschüler mit kleinen Händen. Nur Saxophonisten, die den Flageolettbereich ausgiebig nutzen, werden sich wegen des schwer ansprechenden G 3 nach einem anderen In-
strument umsehen.

Der Komplettpreis (unverbindliche Preisempfehlung) liegt bei 2535,-DM (Stand: 3/99)

                                      Klaus Dapper

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Erstveröffentlichung im Praxismagazin für Bands & Entertainer  " live - MUSIC - artist ".


 
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