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Edle Saxophon-Mundstücke aus Lyon 

Fred Lebayle 

von Klaus Dapper

Diesmal möchten wir den 1960 geborenen französischen Mundstückspezialisten Fred Lebayle  vorstellen. Während er in Deutschland noch weniger bekannt ist und eher in Profi-Kreisen als Geheimtipp gehandelt wird, ist er in der internationalen Saxophon-Szene hoch geachtet. Lebayle Mundstücke werden derzeit gespielt von Wayne Shorter und Branford Marsalis (Tenor und Sopran), Jerry Bergonzi, Coutney Pine (Tenor), Greg Osby, Jan Gabarek (Sopran) und Candy Dulfer (Alt). Fred begann 1988 mit dem Mundstückbau. Seine Werkstatt existierte jahrelang als Ein-Mann-Betrieb, erst vor kurzem ist sie um einen Mitarbeiter erweitert worden. Momentan entstehen laut Auskunft des Herstellers pro Jahr ca. 5000 Mundstücke (!!!). Kurz nachgerechnet: das wären zwischen 10 und 20 pro Tag! 

Derzeit bietet Fred Lebayle – zumindest für Alt- und Tenorsaxophone – drei  verschiedene Mundstück-Kammerformen und drei verschiedene Materialien an. Zwei seiner Mundstückreihen sind eher für traditionelle Anwender konzipiert.

Seit 1996 gibt es das  „Jazz“-Modell. Es hat eine fast gerade Rückwand („Baffle“), wie man sie von Vintage Mundstücken  kennt und eine mittelgroße Kammer. Die Rückwand mündet in eine Bullet-förmige Erweiterung, die typisch ist für sämtliche Lebayle-Modelle ist, und die außer Berg-Larsen kaum ein traditioneller Hersteller verwendet hat.  „Bullet“ bedeutet „Patrone, Gewehr-Kugel“. Eine derart geformte Vertiefung befindet sich in der Rückwand der Kammer.

Ähnliche Eigenschaften hat das  seit 2002 produzierte Modell „LR“, das laut Hersteller-Info eine Reminiszenz an die Mundstücke der 50er und 60er Jahre darstellt. Wohlgemerkt: Reminiszenz, es ist keine Kopie älterer Mundstück-Modelle gemeint. Die „LR“-Kammer unterscheidet sich vom Jazz-Modell in erster Linie durch die gerundete Rückwand („roll-over baffle“). Sie lässt weniger von der Bullet-förmigen Erweiterung frei als es bei dem „Jazz“- Modell der Fall ist.

Das 1997 entwickelte „Studio“-Modell, hat von allen Modellen die  kleinste Kammer, besonders zwischen  Blattspitze und Bullet-Vertiefung ist die Rückwand dem Blatt bereits recht nahe. Diese Reihe entfernt sich weit vom Vintage-Sound; sie gewährleistet eine recht obertonreichen und durchsetzungsfähigen Sound, wie er in Funk, Pop und Rock´n Roll gefragt ist. 

Fred Lebayle baut Mundstücke für vier Saxophon-Größen: Sopran, Alt, Tenor und Bariton. Die Anzahl an Bahnöffnungen ist auf die gängigsten Größen beschränkt: Altsax-Mundstücke gibt es in 6 Öffnungen von Nr. 6 bis 8* (halbe Größen mit Stern:*), Tenorsax-Mundstücke in 5 Öffnungen von 7 bis 9. Die Öffnungs-Bezeichnungen entsprechen laut Hersteller dem bekannten Nummerierungs-System von Otto Link, so dass sich der Neuling leicht orientieren kann. Wir hatten den Eindruck, dass sie sich etwas offener anfühlen, als entsprechende Link-Mundstücke. 

lebayleSämtliche Mundstücke sind mit einer Handgravur versehen: Sie tragen eine 5-stelllige Seriennummer und den Namenszug des Herstellers: Lebayle. 

Wir erhielten zum Test 5 Mundstücke für Altsaxophon (Öffnungen 6* – 7*) und 7 Mundstücke für Tenorsaxophon (7 bis 7*) und konnten uns daher ein gutes Bild über sein Konzept bilden.

Erst die schlechte Nachricht: Friedliche Anfänger-Mundstücke findet man in Fred Lebayles aktuellem Programm nicht. Mundstücke für Saxophonisten mit klassischer Ausrichtung gab es, sie wurden aber eingestellt. Auch extrem offene Kammern (mit ihren typischen Problemen) überlässt Lebayle anderen Herstellern.  Die gute Nachricht: für erfahrene Saxophonisten, die einen (mehr oder weniger)  durchsetzungsfähigen Klang suchen, und hinsichtlich der Bahnöffnung keine Extrem-Positionen vertreten, bietet Lebayle  ein vielfältiges Angebot. Der Spieler kann zwischen Mundstücken aus Edelholz, Kautschuk und Messing wählen, und  zwischen mittleren bis mittel-offenen Bahnen. Die Kautschuk- und Edelholz-Mundstücke sind im Prinzip baugleich, abgesehen von dem bei Holzmundstücken aufgesetzten Messingring. Einen ähnlichen  Ring trifft man bei fast allen Edelholz-Mundstücken an: er soll ein Reißen des Mundstückhalses  bei zu strammem Sitz verhindern.
 

Altsax-Mundstücke. 

Wir begannen mit dem „LR“-Modell, Edelholz, Bahn 7*. Für unser Empfinden geht bereits das „LR“-Modell in punkto Brillanz deutlich über das hinaus, was man von den 50er und 60er Jahren gewohnt war. Noch eine Spur heller klingt das „Jazz“-Modell, ebenfalls in Holz, das uns in der 7er-Bahnöffnung zur Verfügung stand. Die Kammer ist anscheinend etwas kleiner, eine Andeutung von „roll-over“ ist ebenfalls zu erkennen. Mit „Jazz“ ist sicher nicht der Big-Band-Sound der 30er oder 40er Jahre gemeint sondern  der zeitgenössische Jazz oder Stilistiken zwischen Jazz und Rock und Pop. Erst recht gilt dies für das 7er Metallmundstück aus der „Jazz“-Serie. Es klingt schon etwas schneidend und recht durchdringend.  In Kautschuk stand das 6* „Jazz“ zu Verfügung, das uns am besten gefiel. Obwohl die Bahn weniger offen ist, hat dieses Mundstück Spieleigenschaften, die berühmten Meyer 7MM sehr nahe kommen. Wem die Power der  „Jazz“- und „LR“-Modelle noch nicht genügt, der mag das „Studio“-Modell probieren, das uns in Metall mit einer 7*-Bahnöffnung zu Verfügung stand: der  Saxophon-Sound mit dem Säge-Schliff. Unser Geschmack ist es nicht, aber manchmal muss so etwas wohl sein…..Immerhin: auch dieses Mundstück ist absolut betriebssicher und lässt sich  bis in die tiefste Lage herunter mit Leichtigkeit spielen, was man nicht von vielen ähnlich konzipierten Mundstücken sagen kann. Sämtliche Mundstücke lassen sich bequem mit mittleren Blattstärken blasen, zum Beispiel  Rico 2½  oder  Vandoren ZZ 2½.

Bei sämtlichen Lebayle Altsax-Mundstücken hatten wir übrigens den Eindruck, dass sie einen etwas höheren Luftverbrauch haben als vergleichbare Mundstücke anderer Hersteller, und dass sie verglichen mit anderen Mundstücken gleicher Öffnung etwas leichtere Blätter vertragen können. Die Metallmundstücke von Lebayle haben nicht die übliche hoch glänzende Oberfläche sondern ein gebürstetes seidenmatt-Finish. Zum Schutz vor Korrision verfügen sie über eine Vergoldung, die wegen der matten Oberfläche allerdings kaum sichtbar ist.   Die Metallmundstücke für Altsaxophon sind gewöhnungsbedürftig, da sie relativ schlank sind: schlanker als manches (Kautschuk-) Sopran-Mundstück. Auf diese schlanke Form muss sich die Mund-Muskulatur erst einstellen.

 
Tenor-Mundstücke 

Bei den Metallmundstücken gab es ein Kopf-an-Kopf-Rennen: Das 7* Jazz und das 7* LR gefiel uns gleichermaßen gut. Beide liefen ultraleicht und haben einen saftigen strahlenden Ton. Sie unterscheiden sich nur geringfügig in der Klangfarbe: anders als beim Alt-Modell  bietet hier das „LR“ bietet den etwas helleren Sound.  Das 7* Studio Modell ist wie erwartet recht laut und brilliant. Genauso laut wie in der Metallausführung schreit das 7* Studio aus Kautschuk los, ein schöner Beweis, dass die Gleichung „hartes Material = harter Ton“ so nicht stimmt.  Interessanterweise kann man sich das Studio-Modell in der Edelholz-Ausführung (ebenfalls 7*) durchaus wieder mit Genuss anhören. Es hat  weniger „Kante“ als die beiden anderen Ausführungen. Es ist also einen Versuch wert, auch für Saxophonisten, die ansonsten gestufte oder klein-kammrige Mundstücke nicht mögen.

 
Verarbeitung

Besonders die Metallmundstücke haben auffällig schmale Seitenwände („side walls“, „tip wall“), alle Test-Mundstücke sind äußerst präzise gearbeitet. Auch unter der Lupe sind keine Unsauberkeiten oder Ungenauigkeiten der Mundstückgeometrie auszumachen. Davon kann sich so mancher namhafte Hersteller eine Scheibe abschneiden. Bei den Metallmundstücken wird auf eine eingelassene Bissplatte verzichtet. Sie sind mit den bekannten aufgeklebten Bissplatten aus dem Zubehörhandel ausgestattet.

 Offensichtlich lassen sich die Eigenschaften der verschiedenen Alt- Modelle  nicht einfach auf die Tenor-Modelle übertragen und umgekehrt. In unserem Test war beim Alt das „Jazz“-Modell das mit dem helleren Klang, beim Tenor das „LR“. Insgesamt haben uns die Tenorsax-Mundstücke mehr überzeugt als die Altsax-Mundstücke.

 Zusammen mit den Mundstücken erhielten wir 3 verschiedene Blattschrauben-Modelle. Standard scheint derzeit eine extravagant geformte Blattschraube aus vergoldetem Messingblech (Modell „Scala“) zu sein. 2 dünne Blechstreifen halten das Blatt unter dem Mundstück, für die Befestigung begnügt man sich mit einer einzigen Schraube auf der Oberseite. Das HR Tenor Metallmundstück kam mit einem Befestigungsring aus massivem Messing, ganz ohne Schraubbefestigung. Er sieht aus wie ein Ehering mit Überbreite, der Blatt und Mundstück zusammenhält. Der Haltering funktioniert übrigens nur mit Lebayle-Mundstücken, denn er hält nur, wenn er der Verrundung des Mundstückkörpers perfekt angepasst ist. Wer Branford Marsalis in den letzten zwei Jahren live am Tenorsax gesehen hat, kennt diese Blattbefestigung. Die dritte Blattschraube lag ebenfalls einem Tenor Metall-Mundstück bei. Sie berührt  das Blatt lediglich mit drei eingenieteten Niet-Köpfen und hat ebenfalls nur eine Befestigungsschraube. Sie erinnert entfernt an eine Winslow Ligature.

Was uns nicht gefiel: Leider verkratzen sämtliche Schrauben die Mundstücke bereits bei der ersten Benutzung.
 

Preise:
                      Alt:                             Tenor:
Kautschuk       ab        112,-               ab        120,-
Edelholz:         ab        172,-               ab        187,-
Metall:            ab        187,-               ab        195,- 

Bezugsquelle: der gut sortierte Fachhandel. 

Weitere Informationen:
www.fredlebayle.com
  


 
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Erstveröffentlichung im  " SONIC  Magazin für Holz- & Blechblasinstrumente ".


 
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