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Schmuckstück oder edles Musikinstrument? 

Rampone & Cazzani Sopransaxophon „R1 Jazz Semicurvo “

 Bereits mehrfach hatten wir an dieser Stelle Saxophone aus der italienischen Manufaktur RAMPONE & CAZZANI besprochen. Die Firma, die über eine mehr als 130-jährige Tradition im Saxophonbau verfügt, hat ihren Sitz in Quarna, einem kleinen Dorf am Orta-See in der Nähe des Lago Maggiore. In den 30er Jahren gab es enge Kontakte zu der amerikanischen Firma Conn, für deren Saxophonproduktion Rampone & Cazzani Korpusse und Schallbecher lieferten. Nach einer Stillegung im Jahre 1978 ist Rampone & Cazzani seit 1989 als kleine aber feine Saxophon-Manufaktur wieder aktiv. 

rampone semicurved soprano

Rampone & Cazzani baut derzeit vier Modellreihen von Saxophonen. Unser Testinstrument gehört in die edelste Baureihe: die Reihe „R1 Jazz“. Wir erhielten ein Sopransaxophon in einer besonderen ungewöhnlichen Form, die vom Hersteller als „Semicurvo / half curved“ bezeichnet wird. Diese Ausführung ist seit  2004 auch in der Edelausführung erhältlich, in der sie seit 2 Jahren auch von James Carter gespielt wird. Die Seriennummer des Testinstruments liegt knapp unterhalb von 28000.

 

ERSTER EINDRUCK

Der besondere Goldton des Instruments fällt nach dem Öffnen des Etuis sofort auf. Im Gegensatz zu den üblichen lackierten Instrumenten schaut man hier auf eine 24 Karat vergoldete Oberfläche. Eine Vergoldung ist eine feine Sache: sie sieht nicht nur gut aus, sie bietet darüber hinaus einen hundertprozentigen Anlauf-Schutz. Damit nicht genug: die Vergoldung ist nicht hochglänzend sondern leicht mattiert. Die Mattierung ist auf die Verwendung einer besonderen Antik-Politur zurückzuführen, wie sie von Restauratoren verwendet wird. Dadurch sieht das Instrument sehr edel aus, ohne protzig zu wirken. Außerdem fallen die ersten Gebrauchsspuren nicht so auf wie auf einer hochglänzenden Oberfläche. Das „R1 Jazz Semicurvo“ zählt mit Sicherheit zu den schönsten heute gebauten Sopransaxophonen: bereits als Schmuckstück ist unserer Testinstrument preisverdächtig.

rampone semicurved sopranoUngewöhnlich ist auch die Form. Sie erinnert an das um 1930 gebaute „tipped soprano“ von Buescher. Das Rohr ist am oberen und unteren Ende leicht gebogen. Der obere Knick ermöglicht dem Spieler eine besonders entspannte Haltung des Instruments, etwa wie beim Spiel der Klarinette, der untere leichte Knick korrigiert die Abstrahlung des Schalls wieder in die ursprüngliche Richtung: zum Zuhörer hin. Der obere Bogen ist – ganz entgegen  dem allgemeinen Trend – Bestandteil  der Schallröhre und nicht abnehmbar. Einziger Nachteil der extravaganten Form: es dürfte schwierig sein, einen passenden Bühnen-Ständer für das Instrument zu finden.

 
AUSSTATTUNG

Das R1 Jazz hat ein Schallrohr aus sogenanntem Goldmessing („red brass“). Dabei handelt es sich um Messing mit einem höheren Kupferanteil. Die normalerweise im Saxophonbau verwendete Messing-Legierung besteht etwa aus 65 %  Kupfer und 35 % Zink. Bei unserem Instrument wird eine Legierung mit einem Kupferanteil von etwa 80 % verwendet. Dieses Material ist weicher und verspricht eine leichtere Ansprache und einen etwas weicheren Ton. Normalerweise  erkennt man die Legierung an der leicht rötlichen Farbe. In unserem Fall ist das edlere Material unsichtbar: Es ist verborgen unter einer 1 µ starken Vergoldung.

Die Achsböckchen sind – ganz traditionell – einzeln auf die Schallröhre aufgelötet. 

Für die Justierung der Klappenkoppelung lässt das Instrument mit insgesamt 8 Einstell-Schrauben keine Wünsche offen. Für die Klappenanschläge und Koppelungen verwendet man Naturkork und grünen  Filz. Leider verwendet man bei Rampone  für den S-Bogen-Kork nach wie vor synthetischer Kork.

 Die 9 Finger-Einsätze sind aus echtem Perlmutt, nicht aus Kunststoff. Der vordere Hoch-F-Hebel hat einen fingerfreundlich konturierten tropfenförmigen Metalldrücker.

Die Kleinfinger-Klappen entsprechen dem Vintage Selmer Design: Die  Drücker-Anordnung und B-Wippe für den linken kleinen Finger sind zwar etwas großzügiger bemessen; C- und Es Klappe (rechter kleiner Finger) haben die vertrauten halbrunden Drücker und sind auf einer gemeinsamen  Achse angeordnet.

Auch an die Halterung für die Marschgabel wurde gedacht: sie befindet sich oberhalb des Daumenhakens.

Sämtliche Federn und Schrauben sind aus rostfreiem Stahl, der zu Erzielung größerer Elastizität einen besonderen Phosphoranteil hat.

Die Daumenauflage (links) ist aus schwarzem Kunststoff mit Perlmutteinsatz. Der seitwärts verstellbare Haken für den rechten Daumen sieht ebenfalls nach schwarzem Kunststoff aus, es ist aber ein langlebiger mit Kunststoff überzogener Metallhaken.

 Die Polster sind mit aufgenieteten Metallreflektoren ausgestattet. Beim Öffnen und Schließen der Klappen konnten zum Glück beinahe keine Schmatz-Geräusche bemerkt werden.

Die  Hand-Gravur auf dem Schallbecher ist üppig und geschmackvoll.  Dass uns das kleine Micki-Maus-Saxophon unterhalb der Kleinfinger-Klappen (Es und C) etwas kindlich vorkommt, haben wir bereits in mehreren vorangegangen Rampone-Tests moniert. Der Hersteller hängt  anscheinend daran, also vergessen wir´s. 

rampone semicurved sopranorampone semicurved soprano

 VERARBEITUNG

An Klappenwerk und Schallröhre sind auf den ersten Blick keinerlei Verarbeitungsmängel zu erkennen. Alle Lötstellen sind sauber ausgeführt. Zum Aufspüren von Deckungsfehlern zückten wir unsere Leuchtstoffröhre. Wegen des gebogenen Schallbechers ließ sie sich nicht einführen, da musste der Lichtschlauch her. Es zeigten sich leider zwei Deckungsfehler im Bereich F und  Fis (rechter Zeigefinger), die mit dem Schraubenzieher alleine nicht behoben werden konnten. Wir erinnern uns, dass wir auch bei vorangegangenen Rampone Tests  leichte Deckungsfehler bemängeln mussten. In Anbetracht der Preisklasse, in der sich diese Instrumente bewegen, sollte in dieser Hinsicht noch sorgfältiger gearbeitet werden.

 
SPIELTEST

Zunächst wurde das beiliegende Kautschuk-Mundstück Rampone & Cazzani „Deluxe“ Nr. 1 verwendet. Es geht ganz gut mit einem Rico 2 ½ Blatt, aber stellte uns letztlich nicht zufrieden.  Der weitere Spieltest erfolgte daher mit dem vertrauten Selmer S 80 Bahn D (Vandoren 3er Blatt) und einem halboffenen, popmusik-taugliches Mundstück (Lamberson Fj7 mit Rico Royal 2 ½).

Obwohl das „Semicurvo“ auch ohne Tragegurt gut gehalten werden kann, empfiehlt es sich dennoch den Tragegurt zu verwenden. Beim leer gegriffenen Tönen (Cis, die höchsten Töne) hat das Instrument so einfach mehr Halt.

Leider ist der Halskork zu dünn. Alle verwendeten Mundstücke lassen sich zu leicht aufstecken: In Spielposition wackeln sie oder rutschen während des Spiels einwärts.

rampone semicurved soprano
Fingerfreundlichkeit

Im großen Ganzen fühlt sich das Rampone Sopransax unter den Fingern angenehm an. Die Drücker in der mittleren Reihe liegen gut, die Einstellung der Federspannung ist ausgewogen. Abweichende Ergebnisse gibt nur bei einigen Seitenklappen: Der Drücker der  Hoch-D-Klappe ist viel zu tief angeordnet, er ist dem Daumen im Weg. Das haben wir im Test eines anderen Rampone Sopransaxophons (sonic 4/2003) bereits bemängelt, außerdem haben in der Zwischenzeit mehrere Profi-Saxophonisten als Rampone-Sopran-handycap bestätigt. Der Hersteller hat leider bis jetzt nicht reagiert.

Die Griffteile für C und Es sind angenehm klein aber  zu weit entfernt; der rechte kleine Finger muss sich weiter strecken und kann bei der Bewegung vom C zum Es leicht vom Es-Drücker abrutschen. Die Drückergruppe für den linken kleinen Finger dagegen liegt gut. Die Drücker für die seitliche Fis-Klappe und Hoch-Fis-Klappe liegen ein wenig tief und  weit von der mittleren Klappenlinie entfernt.

 
Ansprache

Der Blaswiderstand des Instruments liegt im mittleren Bereich, man fühlt sich auf dem Instrument schnell zu Hause.

 Etwas schwerer sprechen die ganz hohen Töne um E3 an. Sie neigen zum „Unterblasen“, das heißt, der Ton eine Oktave tiefer klingt mit. Auch dies ist uns beim Test aus dem Jahr 2003 aufgefallen.  Ein relativ bockiger Ton ist das hohe F mit der vorderen Hoch-F-Klappe. Mit diesem Griff ist das F aber auch auf manchen anderen Sopransaxophonen problematisch, na gut. 

 
Klang

Klanglich gefiel uns das Rampone „Semicurvo“ sehr gut. Moderne  Sopransaxophone tendieren dazu, durchdringend und  grell zu klingen, war durch Mundstückwahl und Spielvermögen des Musikers abgemildert  oder aber verstärkt wird. Der wärmere Klang ist häufig ein Argument, sich für ein gebogenes Sopran zu entscheiden, trotz der Kompromisse, die in anderer Hinsicht eingegangen werden müssen.  Einen deutlichen Schritt in diese Richtung macht man bereits mit dem „Semicurvo“. Es klingt runder und wärmer als alle geraden Soprane, die uns als Vergleichsinstrumente zur Verfügung stehen. Der Klang ist über das gesamte Register sehr ausgeglichen, es gibt an keiner Stelle klangliche Brüche, abgesehen von dem bei geraden Saxophonen unvermeidlichen Bruch beim Registerwechsel.  In diesen Sound kann man sich sofort verlieben.

 
Stimmung

Die  Grundstimmung wird von Rampone mit dem international üblichen  a= 440 Hz angegeben. Nach einer ausgiebigen Sitzung mit dem Stimmgerät waren wir von der Intonation des „R1“ durchaus angetan. Die Intonationskurve war über den gesamten Bereich recht ausgeglichen. Wer Sorge hat, in der zweiten Oktave zu hoch zu sein, wird hier überrascht sein. Bereits bei anderen Rampone Saxophonen war uns aufgefallen, dass Töne, die üblicherweise nach oben tendieren, relativ gut stimmen, sodass auf  viele der gewohnten Korrektur-Reflexe verzichtet werden kann. Einziger kritischer Bereich ist die dritte Oktave. C3, E3 und darüber. Hier gibt es zum Teil einen Konflikt zwischen Ansprache und Intonation. Gibt man viel Druck, werden die Töne zu hoch, gibt man weniger Druck, riskiert man (ab E3), dass der Ton nicht anspricht.

Für eine zweite Sitzung wurde das Stimmgerät auf A=443 Hz eingestellt, einer Stimmung, auf  die man in vielen deutschen Orchestern trifft. Hier muss man etwas aufpassen, da die kurzen, also höchsten Töne noch stärker nach oben tendieren. Der gesamte übrige Bereich ist unkritisch und noch mit Leichtigkeit in tune spielbar. 

Bis auf die höchsten Töne waren wir mit der Intonation recht zufrieden; Sopranspieler sind in dieser Hinsicht nicht gerade verwöhnt.

 ZUBEHÖR

Das „R1 Jazz“ Sopransax wird dem erwähnten Rampone & Cazzani Kautschuk-Mundstück „Deluxe“ mit der Bahn Nr.1 geliefert. Weiteres Zubehör sind Trageband, Wischer, Pflegetuch und Korkfett.

Das Instrument kommt trendgemäß in einem Light-Etui. Das Etui soll anscheinend auch  für ein gerades Sopransax mit abnehmbaren Bögen verwendet werden: Es gibt zwei Nester für zwei Bögen, die in unserem Fall allerdings nutzlos sind. Egal, das Etui ist den  ungewöhnlichen Konturen unseres  Sopransaxophons gut angepasst.  Das Etui hat einen Rundum-Reißverschluss und drei aufgesetzte Extra-Fächer. In einem finden sich zwei verstellbare Gurte zum Anklipsen: Man kann das Etui entweder wie einen Rucksack auf dem Rücken oder (mit einem Gurt) über der Schulter tragen.  Die übrigen Fächer sind für Krims-Krams. Im Inneren ist das Etui mit schwarzem Kunst-Samt ausgekleidet. Dort gibt auch ein Zubehörfach für Wischer und Pflegetuch und ein Extra-Nest für das Mundstück.

 

PREIS

Der UVP  für das 24 K vintage vergoldete Instrument incl. Etui beträgt  €  4.157,00.

Extras: Hoch-G-Klappe: € 295,00;   Deluxe-Holzkoffer  anstellen des Formetuis: € 100,00.

Günstiger ist das Instrument in „vintage silber“:  €  3.650,00 incl. Deluxe-Koffer.

FAZIT

Allgemein werden Sopransaxophone wegen ihrer oft unzuverlässigen Intonation in Verbindung mit dem durchdringenden Klang  in Musikerkreisen eher gefürchtet.  In beiden Punkten ist das „Semicurvo R1 Jazz“ eine angenehme Überraschung. Zudem dürfte es das derzeit wohl schönste Sopransaxophon sein. Als Schmuckstück ist es makellos, als Musikinstrument hat es leider ein paar  Unzulänglichkeiten, die insbesondere in Anbetracht des stolzen Preises nicht sein dürften.


Pro
Traditionelle Fertigung in Handarbeit
Edle Optik: Antik-Vergoldung
warmer, runder Klang
im großen Ganzen gute Intonation

 

Kontra
Hoch-D-Klappe ist zu tief angeordnet
Anspracheprobleme im Bereich um Hoch-E
Sehr hoher Preis
 

Produktübersicht und Preis

Hersteller:                  Rampone & Cazzani, Quarna, Italien

Modell:                       Sopransaxophon R1 Jazz Semicurvo 

Technische Daten:   Einteilig, halb gebogen, 24 Karat vergoldet, Antikpolitur, Tonumfang bis hoch-Fis (hoch-G  Klappe optional lieferbar), Achsböckchen einzeln aufgelötet, Handgravur, Perlmutt- Fingerknöpfe, rostfreie Stahlfedern. 

Preise (UVP):            4.157,- EUR 

Mehr Infos: www.ramponecazzani.it  

Deutscher Vertrieb: ramponesax@aol.com



 
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Erstveröffentlichung im  " SONIC  Magazin für Holz- & Blechblasinstrumente ".


 
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