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Vintage Saxophones 

Selmer Altsaxophon Super Balanced Action 

Von Klaus Dapper
 

In der letzten Folge haben wir das Modell „Balanced Action“ (BA) vorgestellt, das 12 Jahre lang (von 1935 bis 1947) gebaut wurde. Das Schicksal dieser Modellreihe war es, den zweiten Weltkrieg überstehen zu müssen, der eine kontinuierliche Weiterentwicklung bremste und der den Export der Instrumente stark einschränkte.  In den Kriegsjahren ging die Musikinstrumenten-Produktion bei Selmer, ebenso wie bei anderen vom Krieg betroffenen Herstellern stark zurück, die Belegschaft schrumpfte dramatisch.  1944 entstanden bei Selmer gerade noch 270 Saxophone.

selmer super balanced action altoDie Aufbruchstimmung nach dem Ende des Kriegs führte 1947 zum nächsten Modellwechsel: dem „Super Balanced  Action“ (SBA). Eigentlich verwendete die Firma Selmer den Namen „Super Action“; zur besseren Unterscheidung von den modernen „80 Super Action“  Modellen verwendet man heute ganz überwiegend den Begriff „Super Balanced Action“, wir werden ihn im Folgenden ebenfalls verwenden.

Vorgestellt wird heute ein versilbertes Altsaxophon mit der Ser.Nr. 40422. Es wurde im Jahre 1952 hergestellt. Es ist ein spätes Exemplar der SBA-Modellreihe, die nur 6 Jahre lang existierte: von 1948 bis 1953. Von hier waren es nur noch wenige Schritte zu dem berühmten Model „Mark 6“, das später das am meisten kopierte Modell in der Geschichte des Saxophonbaus werden sollte. Aber so weit sind wir noch nicht. 

Wir erinnern uns: Der Begriff „Balanced Action“ bezieht sich in erster Linie auf die Klappen für den linken kleinen Finger. Die Achsen für die drei Schallbecher-Klappen wurden – erstmals in der Geschichte des Saxophonbaus – zwischen Hauptrohr und Schallbecher positioniert.  Drückerarm und Klappenarm befanden sich nun an verschiedenen Seiten der Achsen (zweiarmiger Hebel) und waren etwa gleich lang, ihre Länge war also gut ausbalanciert. Sie ließen sich nun bequemer und mit wesentlich weniger Fingerdruck betätigen. Diese Bauweise wurde bei allen späteren Modellen beibehalten und – beginnend in den  60er Jahren – von sämtlichen Saxophonherstellern übernommen. 

Direkt nach dem Krieg wurden von Selmer weitere entscheidende Schritte zum modernen Saxophonbau umgesetzt, die zum Teil schon vor Kriegsbeginn geplant worden waren. 

Die wichtigsten neuen Errungenschaften des neuen Modells „Super Balanced Action“ waren: 

-1. Die Tonlöcher für die linke Hand und die rechte Hand wurden um etwa 15 Winkelgrade nach rechts (der Hand entgegen) versetzt. Hierdurch wurde das handling für die rechte Hand entspannter und bequemer, dies ermöglichte höhere Geschwindigkeit. Ein Selmer-Katalog aus dem Jahr 1948 beschrieb dies als “increased agility”. Selmer war auch hier wieder Trendsetter: Diese Bauweise wurde zwischen 1960 und 1980 ohne Ausnahme von sämtlichen Saxophonherstellern übernommen.

selmer super balanced action alto-2. Der abnehmbare Schallbecher.  Die Verbindung vom unteren Ende des Hauptrohrs zum U-förmigen „Knie“ war nicht mehr verlötet, sondern zusammengesteckt, verklebt und mit einem mit zwei Schrauben gespannten Spannring versehen. Diese gesteckte Verbindung ("Remova-Bell seal") wurde von dem Selmer-Techniker Maurice Lefèvre bereits in den 30 Jahren  entwickelt  und für Selmer patentiert (Patent Nr. FR 920653). Aber erst unmittelbar nach dem Krieg ging diese Erfindung in Serie. Sie gilt als Erkennungszeichen des „SBA“ Serie; sie fand sich allerdings bereits schon bei den späten Exemplaren der „Balanced Action“ Serie (Siehe Bericht SONIC 3/2007).  Auch der abnehmbare Schallbecher setzte sich weltweit durch und ist (bis auf ganz wenige Exoten) heute Standard.  

-3. Bei nach dem Krieg gebauten Selmer Saxophonen gab es erstmals optional eine Hoch-Fis-Klappe. Während einige andere Hersteller (z.B. Adler und Hohner) eine Hoch-Fis-Klappe (Adler sogar hoch-G-Klappe!) für die linke Hand anboten, entschloss sich Selmer zu einer praktisch überlegenen aber technisch aufwändigeren  Anordnung (lange Hoch-Fis-Klappe  für den rechten Mittelfinger)  und setzte sich auch damit durch. Heute reicht der Tonumfang aller Sopran- bis fast aller Baritonsaxophone bis zum hohen Fis, wohlgemerkt ein Hoch-Fis für den rechten Mittelfinger. Unser SBA ist gehört zu den frühen Selmer Saxophonem mit moderner Hoch-Fis-Klappe. Laut Selmer-Archiv gibt es bereits BA´s mit hoch Fis. Sie sind wohl äußerst selten; uns ist noch keines begegnet. 

-4. Seit der „Balanced Action“ Serie ist die Klappenkoppelung Fis-Gis-B recht heikel. Sie muss sorgfältig überprüft und gelegentlich nachjustiert werden. Mit Beginn der SBA-Serie verfügt der Koppelungsarm über zwei Einstellschrauben, was die Prozedur deutlich erleichtert.  Auch diese Einstellschrauben wurden bald Standard. 

-5. Der Tonumfang des  Bariton-Saxophons wurde übrigens seit 1952 – also zur Zeit der SBA Modellreihe – optional zum tiefen A erweitert. Auch hiermit wurde Selmer Vorreiter eines weltweiten Trends: Tief-B-Instrumente werden heute kaum noch gebaut.
 
selmer super balanced action altoUnser SBA Altsaxophon ist ein spätes, kurz vor dem Übergang zum Mk 6. Das auf den S-Bogen aufgelötete schnörkelige Wappen ist bereits 1952 der schlichten Dreieck-Form der Mk-6-Reihe gewichen. Der S-Bogen unseres Instruments ist untypisch: Er zeigt unmittelbar oberhalb der Steckverbindung eine auffällig starke Biegung zum Spieler hin, ähnlich wie bei Buffet Saxophonen der S-1 Serie. Diese Form wurde bald wieder verworfen, bei Mk 6 trifft man sie nicht mehr an. 

Zu den Spieleigenschaften unseres Selmer SBA: Spätestens in den 40er Jahre vollzog sich eine Geschmackswandel vom runden volltönigem Saxophonsound zu einem schlankeren, helleren Klang, der sich leichter durchsetzen kann. Der erwähnte Selmer Katalog verspricht: "A Brighter Sound", "Unequaled Carrying Quality", “More Accurate Intonation." Das Super Balanced Action ist klanglich seinem Nachfolger Mark 6 bereits sehr ähnlich. „Brighter Sound“ und „Carrying Quality“ können wir bestätigen. Bessere Intonation? Seit Erfindung des Saxophons vor gut 150 Jahren wird bei jeder Modell-Änderung mit verbesserter Intonation geworben. Das wird vermutlich in 150 Jahren nicht anders sein. Genau wie bei früheren und späteren Modellreihen wurde innerhalb der Serie weitergeforscht, es wurden ständig Details geändert und das Korsett der jeweiligen Modellreihe immer wieder gesprengt. Einen zentralen Einfluss auf die Intonation hat der S-Bogen. Mit den S-Bogen-Maßen wurde während der BA- und SBA- Zeit offensichtlich bei Selmer viel experimentiert. Es gibt aus dieser Zeit kurze, lange, stark und schwächer gekrümmte Bögen; auch mit der Position der oberen Oktavklappe wurde experimentiert. Darüber hinaus musste der Saxophonbau in den 40er und 50er Jahren auf die Umstellung von den großkammrigen Vorkriegs-Mundstücken auf neue Mundstücke mit  kleineren Kammern reagieren. In den 40er Jahren begann der Aufstieg der Otto Link Tenor-Mundstücke wie der Meyer Alt-Mundstücke, die allmählich die alten Mundstück-Typen ablösten. Auch dies schuf  Anforderungen an die Intonation, die es zu lösen galt.  

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Dass SBA-Modelle generell besser stimmen als BA-Saxophone, kann nicht grundsätzlich bestätigt werden. Unseres stimmt sehr gut, andere SBA´s stimmen anders, und es gibt herrvorragend stimmende BA´s. Bei  beiden Baureihen variieren die Intonationseigenschaften. Daher ist es dem Besitzer eines alten Schätzchens immer anzuraten, bei Intonationsproblemen  auch  zeitgenössische Mundstücke zu probieren, um zu sehen, mit welchem Mundstück das Saxophon am besten harmoniert.  

Zum Zeitwert:  Gehandelt werden Selmer SBAs  heute etwa zwischen 3000,-  und 5000,-EUR (Alto) bzw. zwischen 4000,- bis 6500,-EUR (Tenor), je nach Erhaltungszustand.  Die lackierten Saxophone sind – auch wenn der Lack schon ab ist – gefragter als die versilberten, die SBAs mit Gravur sind gefragter als die  ohne Gravur. 

Mehr Info auf der Selmer homepage:

www.selmer.fr/html/english/sax/saxs/serie/serie.htm

 

 

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Erstveröffentlichung im  " SONIC  Magazin für Holz- & Blechblasinstrumente ".


 
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